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Balaenoptera acutorostrata ante portas de Brema

  • Autorenbild: Guenter G. Rodewald
    Guenter G. Rodewald
  • 27. Sept.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 21 Stunden

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27. September 2025 - Nun wohne ich schon bald 10 Jahre in Vegesack und habe - vor knapp 76 Jahren in Bremen geboren - auch bis heute mehr als die Hälfte meines Lebens in meiner Geburtsstadt gelebt. Dazu wurde ich in der vierten Klasse in der Volksschule Buntentorsteinweg von meinem geliebten Lehrer Friedrich Lipski in Heimatkunde umfangreich unterrichtet, und doch kannte ich die Geschichte bis gestern nicht, die es um jenes riesengroße Abbild eines Walfisches in der Oberen Halle des Bremer Rathauses zu erzählen gibt.


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Das änderte sich durch einen der ersten Besuche in meiner fast fertig eingerichteten neuen Wohnung oberhalb des Vegesacker Stadtgartens, in dem Wohnkomplex, der auf dem ehemaligen Gelände des Hartmannstiftes entstanden ist. Mein Freund Knud machte mir als Einzugsgeschenk ein kleines Büchlein in quadratischem Format von 15 x 15 cm und 30 Seiten stark. Sein Autor ist Klaus Papies (*1939), ein ehemaliger Lehrer am Gymnasium Lesum und am Schulzentrum Bördestraße in St. Magnus. Erschienen ist es erstmals 2011 im Eigendruck, gestaltet vom studio 37, Worpswede. Das Exemplar, das ich geschenkt bekommen habe, zeigt es in der 7. Auflage an! Seine ISBN: 978-3-00-045794-4. Obwohl es vergriffen ist, antiquarisch taucht es auch noch auf, und in den Museumsshops der Kunsthalle Bremen und des Überseemuseums Bremen ist es auch weiterhin zu finden, und ansonsten beim Autor selbst (Klaus.Papies@t-online.de). Ach so, sein Titel fehlt ja auch noch: »Die Ballade vom Lesumer Wal«, sein Untertitel: »Als kleine Ballade in Verse gesetzt von Klaus Papies«.


Gehörig vom Kurs abgekommen


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Das humorvolle Buch erzählt die Geschichte eines Zwergwals (Balaenoptera acutorostrata), der am 8. Mai 1669 an der Lesum strandete und in Bremen für großes Aufsehen sorgte und der sich also die gesamte Strecke von der Wesermündung bis hin an den Strand, just über der Stelle, wo die Lesum in die Weser mündet, verschwommen hat, also gehörig vom Kurs abgekommen ist. Das kommt im Leben und der Welt der Wale leider immer wieder vor. Am Ort seiner Strandung wurde der Wal von einem Bauern erschossen und gewissermaßen auf einem Triumphzug die Weser hinauf in das Stadtinnere gebracht. Es heißt, an der ganzen Strecke hätten sich an beiden Weserufern Menschen versammelt, die den Blick auf den spektakulären »Fang« nicht verpassen wollten.


Papies hat den Text der »Ballade zum Lesumer Wal« mit viel Wortwitz verfasst und erklärt auf vergnügliche Weise die historischen Zusammenhänge, die mit dem Walbild in der Oberen Halle des Bremer Rathauses zusammenhängen. Die Ballade schließt mit dem Reim:


»Das war die Ballade vom Lesumer Wal,

er hängt im Rathaus, besucht ihn doch mal! «

 

Und da hängt heute das Porträt des Gestrandeten, für das der Senat damals den Bremer Maler Franz Wulfhagen beauftragt hatte, in Öl verewigt, tatsächlich immer noch oder besser gesagt wieder seit seiner Verfrachtung in die Stadt in der Oberen Halle des Bremer Rathauses bis in die Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Wulfhagen hat den Wal in seiner identischen Lebensgröße von 9 Metern Körperlänge abgebildet. Das gesamte Bild misst 9,55 Meter in der Breite und 3,55 in der Höhe. Sein offizieller Titel ist: »Großes Walbild«. Für seine Arbeit erhielt Wulfhagen die damals recht hohe Summe von 95 Silbermark.


Als der Rathaussaal 1965 neu gestrichen werden sollte, kam unser »Großes Walbild« erst einmal ins Magazin des Bremer Überseemuseums. Anlässlich der Ausstellung »W(H)ALE« in der Städtischen Galerie Bremen im Frühjahr 1992 wurde das Bild wieder aus dem Depot geholt. Dabei kamen Risse und Flecken in der Leinwand zu Tage, die eine konservatorische Bearbeitung des Gemäldes erforderlich machten. 1997 erfolgte daher eine eingehende Restaurierung. Anschließend wurde das Bild einige Jahre in der Abteilung für Walfang im Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven ausgestellt, bis es 2008 wieder zurück ins Rathaus kam. Gewissermaßen strandete unser Freund so ein weiteres Mal. Ob er sich das alles von seinem Leben so vorgestellt hatte, als er am 8. Mai die Tide falsch einschätzte und sich auf der Lesumbroker Sandbank auf dem Trockenen wiederfand? Kaum anzunehmen...


Im Zusammenhang mit der Strandung gab es noch ein längeres Hick-Hack zwischen dem Bremer Senat und der Schwedischen Krone, der das Herzogtum Bremen-Verden unterstand, das in dessen Süden bis an das Nordufer der Lesum mit Grohn, Schönebeck und St.Magnus reichte. Jedoch lag die Sandbank, auf der der Wal gestrandet war, auf dem Südufer des Flusses, also bestand Bremen zu Recht darauf, dass er auf seinem Territorium gelandet war.


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Im unteren Teil des Bildes steht in damaligem Wortlaut und in der Schriftweise der Zeit diese Legende zu lesen:


»ANNO 1669. am 8. MAJI ist ein Wallfisch uffm Sande im Leeßmer strohm nahendt dem Leßmer Bruche erschoßen. so zu schiffe gebracht.und am 9. MAJI nach Bremen gefuhret auch folgendts daselbst das fleisch abgeschnitten. und ist die länge dieses fisches befunden vom maul biß ans auge 5 fueß. Vom maul biß zum schwantze 29 fueß. die floßfedern 3 fueß der schwantz in der breite 9 fueß. die dicke in der circumferenz 12 fueß inmaß dier Wallfisch. nach natuerlicher größe abgebildet und deßen zusamen gehefftete gebein alhie zur gedächnüß auffgehangen worden 28. Junii Anno 1669.«


Außer dem riesengroßen Wandbild hatte der Senat die kuriose Idee, auch das Skelett des Wals in der Oberen Halle aufzuhängen, schon ein etwas skurriler Einfall. Heute hängt dieses Skelett im Foyer des Überseemuseums Bremen.


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Papies hat sein Buch seiner im Jahre 2013 verstorbenen Frau Gisela Schulze-Papies gewidmet. Ihr verdanken wir auch ganz direkt »Die Ballade zum Lesumer Wal« - sie entstand zur Vegesacker Leserpromenade im Jahr 2011, und ihren Ursprung hatte sie in einer viel früheren Schülerarbeit - 2000 - einer 11. Klasse der Schule an der Bördestraße, die diese unter dem Titel »Der Lesumer Wal von 1669 - genutzt - gemalt - verstaubt - wiederentdeckt« verfasst hatte.


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Strandungen von Walen


Es ist gar nicht so selten, dass Wale stranden, mal allein. aber auch in größeren Gruppen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: es kann sein, dass sie erkrankt oder verletzt sind. Sie können so die Orientierung verlieren und sich in flache Gewässer verirren, wo sie stranden und nicht wieder zurück ins Meer finden . 


Aber auch menschliche Aktivitäten wie Schiffsverkehr und Militärsonar erzeugen Unterwasserlärm, der die Echolokation und Orientierung der Wale stören kann. Und andere menschengemachte Faktoren, wie Giftstoffe wie Quecksilber und Plastikmüll können die Tiere schwächen. Auch Beifang und Schiffskollisionen können dazu führen, oder Verletzungen durch Fischereinetze.


Und ebenso können Folgen der Klimakrise die Ursache sein: Veränderungen in Meeresströmungen und Nahrungsangeboten, die durch die Erderhitzung ausgelöst werden, können Wale dazu zwingen, neue Lebensräume zu suchen und dabei in gefährliche Gebiete zu geraten.


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Man erinnert sich, dass vor nur ein paar Wochen im Sommer dieses Jahres im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ein lebender Wal gestrandet war. Das 3,8 Meter lange Tier, das mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Familie der Schnabelwale gehört, wurde vorher noch im Meer vor dem Sylter Ellenbogen schwimmend gesichtet, bevor er dann im Watt bei Munkmarsch auf Sylt strandete. Er war bereits so entkräftet, dass er vor Ort von einem Seehundjäger erlöst wurde.

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Und warum nicht in die Welt der Wale einkehren? Mal wieder Hermann Melvilles Moby Dick oder Der Wal lesen oder sich von Christian Brückner vorlesen lassen, jeweils in der viel gelobten Übersetzung von Friedhelm Rathjen, erschienen im mareverlag, bzw. im argon Verlag?


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Manchmal braucht sogar ein großartiges Buch – selbst ein Klassiker – ein wenig Hilfe. Herman Melvilles »Moby Dick« wurde 1851 erstmals veröffentlicht und war aber dann bis 1900 weitgehend aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit geraten – es bestand eine große Wahrscheinlichkeit, dass es bis auf ernsthafte Studenten der amerikanischen Literatur in Vergessenheit geraten würde. Aber 1930 wurde die Öffentlichkeit mit der illustrierten Version von »Moby Dick« durch Rockwell Kent (1882 – 1971) überrascht. Der Verlag Random House, New York, sah Kent eindeutig als den großen Anziehungspunkt – man beachte, dass auf dem Cover des Buches Melville nicht einmal erwähnt wird – und das Buch war ein voller Erfolg. Die Illustrationen sind eindringlich, spannend, dramatisch und haben die Menschen wieder mit »Moby Dick« bekannt gemacht. Kent – selbst ein Abenteurer – schien in perfekter Harmonie mit dem Text zu sein.


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Mit Rockwell Kents Hilfe eroberte »Moby Dick« erneut die Fantasie der Öffentlichkeit. So weit, dass 1956 die berühmte Kinoversion durch John Huston und mit Gregory Peck in der Hauptrolle des Kapitän Ahab erschien. So hat »Moby Dick« durch Kents illustrierte Ausgabe und durch den immer wieder gezeigten Kinofilm von 1956 in der Regie von John Huston und mit Gregory Peck als Captain Ahab einen festen Platz in der Literatur- und Kulturgeschichte Amerikas und der ganzen Welt. Und nicht zu vergessen durch die zweiteilige TV-Version in der Produktion von Francis Ford Coppola von 1998.


Ach ja, und Danke nochmal, Knud!


Kund hat auch noch einen Abriss um die Geschichte der Entstehung von Melvilles »Moby Dick« dazu verfasst. Das kann hier heruntergeladen werden.

Weblinks:

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info

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