Das Leben Salvador Dalís als Comic
- Guenter G. Rodewald
- 17. Juni
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Juni

17. Juni 2025 · Ohne sich zu weit aus den Fenstern des Teatre-Museu Dalí in Figueres lehnen zu müssen, kann man sicher frei heraus behaupten, der Comic hätte dem titelgebenden Maler, Grafiker, Schriftsteller, Bildhauer, Bühnenbildner, Provokateur und 'enfant terrible' der spanischen und internationalen Kunstszene, Salvador Dalí (1904 - 1989) sicher gut gefallen und manchem Protagonisten und mancher Protagonistin, die darin auftreten, ebenso. Es geht um die gerade in Spanien erschienene Graphic Novel »LA VIDA INCOMBUSTIBLE DE SALVADOR DALÍ« (Editorial Planeta, Barcelona 2025), frei übersetzt: »Das feuerfeste Leben des Salvador Dalí«.
Damit erscheint bereits die vierte Graphic Novel aus der gemeinsamen Werkstatt mit den Bildern von Quique Palomo und den Texten von Ian Gibson. Auch dieser Produktion wird ganz sicher ein ebenso großer Erfolg beschieden sein, wenn nicht noch viel achtbarer als es den vorherigen drei Bänden ergangen ist. Beide Autoren sind unermüdliche Arbeiter in ihren Genres. Was Gibson betrifft, bleibt er seinen Aufgaben und seiner Neugier auch in seinem hohen Alter von 86 Jahren als investigativer Biograf treu. Ebenso genießt er in Spanien mit seiner Stimme als bedingungsloser Demokrat gegen den auch in diesem Land beunruhigenden Zulauf auf der rechtsextremen politischen Szenerie herausragendes Ansehen und hohe Popularität.
Salvador Dalí selbst und sein Werk genießen nach wie vor nicht nur im eigenen Land, sondern ebenso in aller Welt Niveau höchste Beachtung. Das machen die drei Dali-Museen der Fundació Gala-Salvador Dalí in Figueres, Cadaqués und in Port Lligat, wie auch im Castell Gala Dalí de Púbol von La Pera, alle im Norden Kataloniens, deutlich: sie haben im Jahre 2024 mehr als eine gute Million Besucher, damit einen erneuten Zuwachs gegenüber dem Vorjahr registrieren dürfen. Sie gehören damit zu den meistbesuchten Museen der Iberischen Halbinsel.
Bunte Bilder, kulturhistorische und politische Informationen und diverse Stile in spannendem Wechsel
Der Künstler Quique Palomo besitzt ein hoch entwickeltes Talent, in seinen Graphic Novels verschiedene Stile anzuwenden, ganz typische Elemente des Comics, wie aber auch Collagen (manchmal schimmert durch sie der Geist von John Heartfield hindurch) und straighte kulturpolitische Sachtexte. Die Farbgebung seiner Bilder wechselt zwischen Zweifarbigkeiten, aber dann auch immer wieder in vierfach illustrativer Weise. Die biografischen Hintergründe extrahiert er aus den umfangreichen biografischen Werken von Ian Gibson, der dieser wiederum mit neuen seiner Recherchen modifiziert und ergänzt hat. Im ganzen Buch spürt man die enge und eine sich glänzend ergänzende Kollaboration, wie die beiden Autoren sehr lebendig in einem Interview schildern, das sie in Madrid im vergangenen Mai gegeben haben und das man hier lesen kann:
Sie tauchen alle auf
Alle die und alles das, das in Dalís Leben und Wirken Wichtigkeit und Einfluss gehabt hat, taucht auf in dieser Graphic Novel: die Herkunft seiner Familie im damals hinteren Norden Kataloniens, in Figueres, ihren Umzug in die Metropole, nach Barcelona, dem steilen Aufstieg seines Großvaters als Unternehmer, dann dessen jähem finanziellen Absturz über Nacht und seinem daraus folgenden Selbstmord; er stürzt sich im hohen Treppenhaus des Hauses im Haus der Familie hinunter. Dieses Ereignis erlebt der kleine Salvador und wird ihn sein Leben verfolgen.

Seiner Schulzeit, sein früh erkanntes künstlerisches Talent, die Studienzeit und die wilden Jahren von bis in der 1910 gegründten Residencia de Estudiantes von Madrid, zusammen und unter anderen sehr eng mit Federico García Lorca oder Luis Buñuel und zusammen vielen anderen bedeutenden Persönlichkeiten aus den Bereichen Kunst, Literatur und Wissenschaft. Die Residencia war ein wichtiger Treffpunkt für Intellektuelle und Künstler, sowohl aus Spanien als auch aus dem Ausland, und spielte eine zentrale Rolle in der spanischen Kultur des 20. Jahrhunderts.
Seine Jahre in Paris und seine Verbindung zur Bewegung des Surrealismus, seine Kontakte zu André Breton, René Magritte, Joan Miró und zu vielen anderen Künstlern. Das Kennenlernen von Gala (1894 - 1982), seiner späteren Muse, 10 Jahre älter als er und damals noch verheiratet mit dem französischen Schriftsteller Paul Éluard (1895 - 1952). Später das Exil in London, in Spanien tobt seit 1936 der Bürgerkrieg. Dort erreicht ihn die Nachricht von der Ermordung seines geliebten Freundes Federico Lorca am 18. August 1936 in Fuente Vaqueros in der näheren Umgebung von Granada.
In London trifft er auf Sigmund Freud, auch dieser im Exil aus Wien, dann zieht er weiter in die USA, nach New York, 1948 die Rückkehr in das bis 1975 faschistisch beherrschte Spanien des General Franco. Auch vom Kennenlernen des Models, Sängerin, Schauspielerin, Moderatorin und Disco-Queen Amanda Lear in den 70er Jahren erfahren wir, von der Errichtung des Teatro-Museu Dalï im ehemaligen Stadttheater von Dalís Geburtsstadt.
Nichts fehlt
Palomo und Gibson lassen nichts aus Dalís Leben aus, alle seine wichtigen Zeitgenossen bekommen ihre Auftritte, seine umtriebige Rolle im Kunstweltgeschehen all dieser Jahre, seine Gabe, sein Werk zu kommerzialisieren alles taucht in Bild und Ton in der Erzählung dieser Biografie auf. Und bis hin zum Tod des Malers werden wir als Leser Zeugen. Die beiden Autoren habe es sich auch nicht nehmen lassen, ihren Comic mit dem Besuch von Ian Gibson in Person Dalí in Figueres abzuschließen.
Gibson am Sterbebett von Dalí
Ab 1981 litt Dalí schwer an der Parkinson-Krankheit. Seit dem Tod van Gala 1982 lebte er ab 1983 allein und zurückgezogen im Castell Gala Dalí de Púbol in La Pera, in dem Gala beerdigt ist. Das Schloss liegt knappe 20 km östlich von Girona. 1984 erlitt Dalí dort bei einem Brand schwere Verbrennungen. Nach diesem Unfall erlaubte ihm sein Gesundheitszustand keinerlei künstlerischen Aktivitäten mehr, und er zog in die Torre Galatea, dem Anbau des Teatre-Museu von Figueres.
Als es ihm dort in seinem Krankenbett immer schlechter erging, hatte Dalí seinen langjährigen Freund und wie er Maler, Antoni Pitxot (1934 – 2015) gebeten, Ian Gibson zu sich zu rufen. Man hört ihn auf der drittletzten Seite des Comic sagen: »Antoni, quiero hablar con ese señor, Ian Gibson, dile que venga. ¡Ahora!« (»Antoni, ich will mit diesem Ian Gibson sprechen, sag' ihm er solle kommen, und zwar sofort!«).

Pitxot zu Gibson am Telefon: »Señor Dalí möchte, dass Sie kommen, um Ihnen zu sagen und Sie es wissen zu lassen, wie sehr Lorca ihn geliebt habe und dieser eine intensive körperliche Liebe für ihn empfunden habe, und von wegen nicht etwa eine platonische.«

Gibson lässt sich nicht zweimal bitten und nimmt das erstmögliche Flugzeug von Madrid nach Barcelona, zumal er - wie ganz Spanien - weiß, dass Dalí nicht mehr lange leben würde, das spanische Fernsehen übertrug damals sogar immer wieder Livebilder vom Krankenbett des Künstlers. Von Barcelona mit dem Mietwagen nach Figueres (Zitat Gibson: »Niemals in meinem Leben schneller gefahren...«) und sofort zu Dalí in die Torre Galatea, um keine Minute zu verlieren.
Dort angekommen gesteht Dalí ihm wegen seines Parkinsons nur schwer verständlicher Stimme seine ganze intime Geschichte, die ihn mit Lorca verband: »Ich hätte seine Liebe so gerne erwidert, aber ich war dazu nicht in der Lage« hören wir ihn sagen.
Beigesetzt wurde Salvador Dalí auf eigenen Wunsch in der Krypta seines Teatre-Museu. Er liegt dort - sein Körper einbalsamiert, um mindestens 300 Jahre überdauern zu können - in eine Tunika gehüllt, mit der Krone des Marqués de Dalí de Púbol, diesen Titel hatte ihm der spanische König Juan Carlos I. einige Jahre vorher verliehen. Die Krypta befindet sich unter der gläsernen Kuppel, die hoch aus dem Museum ragt und die über dem früheren Bühnenhaus durch den spanischen Architekten Emilio Pérez errichtet wurde, noch nach dem Entwurf von Dalí selbst.
Mit dem Bild dieser Glaskuppel endet auch die Graphic Novel, die Ian Gibson und Quique Palomo über den begnadeten, umstrittenen, widersprüchlichen, bewunderten bis immer auch heftig kritisierten Künstler geschrieben und gezeichnet haben.

Ein persönliches Postscriptum:
Ich kann nicht verhehlen, dass ich heute noch stolz bin, dass Ian mich sogar in seinen Danksagungen in den verschiedenen Ausgaben seiner Dalí-Biografie mit diesen Worten bedacht hat: »Besonderer Dank richtet sich an meine Agentin, Ute Körner, und ihren Assistenten Guenny Rodewald: Ihre Ermutigung war für mich die ganze Zeit über von unschätzbarem Wert.«

Und ebenso ist es ein gutes Gefühl, immer wieder mit Ian in Kontakt zu stehen, mit Telefonaten, Mails und den langen, für ihn so typischen Widmungen in seinen neu erscheinenden Büchern, die er mir hier immer nach Deutschland schickt.
Uns verbindet eine gemeinsame tiefe Trauer an Ute Körner, Ians geliebte Agentin und enge Freundin, und meine großherzige Meisterin, Partnerin in unserer Agentur und Hartmus und meine Gönnerin, als wir 1985 vollkommen unbedarft nach Barcelona kamen.
Weblinks:
Reaktionen:
»Vielen Dank, Guenter, für deine Rezxension - ich bin total begeistert! Es macht den Comic wirklich sehr attraktiv, auch wegen der Bilder, die du auf sehr treffende Weise eingefügt hast. Wenn er ins Deutsch übersetzt würde, ach, das wäre fantastisch!« - Quique Palomo, Madrid
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