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  • AutorenbildGuenter G. Rodewald

Es gibt sie doch, die Engel oder: Got lost in Beckedorf

Aktualisiert: 7. Nov. 2022


Ich kann nicht verhehlen, dass mich gewisse Zweifel überkommen, inwieweit ein so mächtiger Automobilklub, wie es der ADAC ist, unabhängig ist oder doch eher seiner Rolle als Lobbyist der Autoindustrie nachkommt. Andererseits hat dieser Verein über 20 Millionen Mitglieder, die diesem wohl wegen der diversen Hilfsangeboten beitreten, allen voran der Leistungen, die der Club bietet, wenn man mit seinem Automobil auf der Chaussee oder der Autobahn liegenbleibt oder einem gar irgendwo auf Reisen in einem fernen Land etwas passiert und man gerne wieder und sicher in die Heimat zurückkehren will.


Nun kann ich mich glücklicherweise trotz meines Handicaps, das meine Gehmobilität einschränkt, auch noch mit einem Automobil fortbewegen, das per Automatik und mit einem Linkspedal für das Gas modifiziert ist. Und darum – besser: genau wegen meiner Einschränkungen – besitze ich eben auch eine Chipkarte dieses mitgliederstärksten Vereins Deutschlands.


Aber da ich wohl mehr oder annähernd so viele Kilometer mit meinem Van Raam Easy Rider unterwegs bin wie mit meinem Dacia Sandero, habe ich kürzlich gerne zur Kenntnis genommen, dass die ADAC-Pannenhilfe nunmehr auch für sich mit den Beinen oder einem E-Motor fortbewegende Zweiräder zur Verfügung steht. Aber auch für Dreiräder wie ich eines fahre?


Nun, ich habe seit gestern Abend den Beweis, dass ja. Auf meinem Weg von einer Therapiestunde zu mir zurück nach Hause rumpelte plötzlich mein rechtes Hinterrad und bewegte sich deutlich spürbar nicht mehr auf dem mit Luft gefüllten Reifen, sondern nur noch auf der blanken Felge, trotz der als fast „unplattbar“ geltenden Schwalbe-Marathon-Plus-Reifen.

Ich machte Halt, auf der rechten Seite der baumbestandenen Allee eine große Viehweide mit ein paar mächtigen in der aufkommenden Nachmittagsdämmerung lustvoll Gras fressenden Angus Rindern und einer sich auf ein Beutetier zuschleichenden schwarzen Katze. Auf der linken Straßenseite das Gebäude des „Jugendtreffs Beckedorf“. In seinen Schatten schob ich mein Rad, zumal ich an dem Ort von einer potenten Straßenlaterne beleuchtet wurde und im bald vollständig Dunklen besser zu sehen war.


Eine Lösung aus der Situation, nämlich mein Rad die restliche Strecke zu mir nach Hause zu schieben, entfiel wegen der zu großen Entfernung, des durchaus bemerkenswerten Gewichts des Easy Riders (gute 42 Kilos) und meiner körperlichen Einschränkungen. Also besann ich mich meiner ADAC-Karte, der neulichen Information über die Pannenhilfe für Fahrräder und rief die 22 22 22 an. Ich bekam sofort jemanden an die Strippe und konnte mein Problem schildern und mehr oder weniger meinen Standort angeben. Man versprach mir Hilfe, allerdings auch schon mit der Vertröstung, dass es wegen des hohen Volumens der benötigten Assistenzen in der Zone zu einer längeren Wartezeit von gut und gerne eineinhalb Stunden für mich kommen könne.


Gut, dass ich mich für meine Ausfahrt doppelt bis dreifach eingekleidet hatte, denn nach einem ungewöhnlich warmen Oktober war mit dem Eintritt in den November deutlich spürbar dann doch der Herbst eingezogen und traf mich an meinem Pannenort ein energischer Südwestwind, der selbstbewusst über die Rinderweide blies. Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich mich zunächst zu Hause meldete, dass ich wohl erheblich später an die Burg kommen würde. Via WhatsApp kontaktierte ich meinen Van-Raam-Händler Theramobile in Bremen-Mahndorf, um die Reparatur des Rades zu organisieren. Trotz des vor uns liegenden Wochenendes bot man mir sogar dafür eine passende Lösung an.


Irgendwann kam dann noch ein Anruf des ADAC, der mir eine aktualisierte Wartezeit von noch einer Stunde ankündigte. Daneben versuchte ich, mir die Wartezeit zu verkürzen, indem ich auf meiner Facebook-Seite von meinem Missgeschick (plus Foto) berichtete. Und bekam auch sofort solidarische Grüße und Hilfsangebote, selbst der ADAC hatte meine viralen Nachrichten gelesen und vertröstete mich auch auf diesem Weg.

Und dann tauchte - fast innerhalb der angegebenen Zeit - das ersehnte gelbe Gefährt aus der Dunkelheit auf. Der Fahrer begrüsste mich mit aller Freundlichkeit und Gelassenheit und schlug vor, dass er sicherheitshalber lieber auf den neben dem Jugendzentrum liegenden Parkplatz fahren wolle. So schob ich meinen Easy Rider dorthin hinterher. Und staunte nicht wenig, wie der gute Mann sofort seinen schweren Wagenheber aus dem Kombi zog, um damit mein Rad an der zu betreuenden Flanke anzuheben, und sich daran machte, den Reifen, bzw. den Schlauch von der Felge zu ziehen. Also den Defekt vor Ort zu beheben, und mich und mein Gefährt nicht einfach „nur“ – wie ich vermutet hatte - nach Hause zu bringen.


Der Helfer fand schnell den Corpus Delicti für die Panne: ein Stachel der Fruchthülle einer Kastanie (gegen die sollte Schwalbe seinen Unplattbaren noch impfen…), den der Mechaniker mit angebrachtem Feingefühl aus dem Mantel zog. Er holte aus seinem Fundus eine kleine Schachtel vor, wie ich sie aus meinen frühesten Erfahrungen mit gestrauchelten Fahrradreifen kenne, und vulkanisierte das klitzekleine Loch im Schlauch mit einem dieser oft verwendeten schwarz-roten runden Gummiflicken.


Schlauch und Mantel waren schnell wieder montiert, das Rad vom Wagenheber herabgelassen, ich absolvierte mit Erfolg ein paar Proberunden auf dem Parkplatz und dann ging’s auf die mittlerweile längst nachtfinstere Landstraße und die noch fehlenden zwei Kilometer in Richtung Heimat. Der ADAC-Retter fuhr als Eskorte hinter mir her, bis ich in meiner Wohnstraße ankam, wir winkten uns zum Abschied gegenseitig zu, und ich glaube seitdem wieder an Engel, und seien es nur jene des ADAC, wie sie verklärend, aber sinngebend genannt werden.


Erwähnt gehört die kontinuierliche Online-Betreuung während der gesamten Panne durch eine gewisse Evi vom ADAC-Team, vorbildlicher Einsatz von Social Media in einer solchen Notsituation, erst recht, wenn man sich vorstellt, die Umstände wären noch oder viel gravierender.


Zu Hause erwartete mich dann noch ein wohltuendes warmes Abendessen und in voller Überzeugung werde ich meine kommenden jährlichen Abbuchungen in der Höhe von € 41,00 (Ermässigung als Schwerbehinderter) von meinem Girokonto für meine Automobil-/Dreirad-Mitgliedschaft unwidersprochen geschehen lassen.

 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info.



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