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Es sind nun doch schon einige Male…

  • Autorenbild: Guenter G. Rodewald
    Guenter G. Rodewald
  • vor 11 Stunden
  • 5 Min. Lesezeit

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8. September 2025 - …, die es mich zu Veranstaltungen ins Bremer »Tabakquartier« getrieben hat, allerdings bislang noch zu keiner, zu der die »Bremer Philharmoniker« eingeladen hatten, wie am vergangenen Freitag. Es berührt mich immer noch und das jedes Mal aufs Neue, dass Erinnerungen in mir aufsteigen, die mich mehr als 50 Jahre zurückdenken lassen, und zwar an das Jahr 1969, als ich nach meinem mit Müh und Not bestandenem Abitur drei Monate in der Tabakfabrik der Martin Brinkmann AG mir mein Geld für meinen PKW-Führerschein und noch so manch anderes mehr verdient habe.


Eine Fahrstunde = zwölf Mark


Zwölf Mark, mehr kostete damals eine Fahrstunde nicht. Da ich bis zur Fahrprüfung (ohne durchzufallen!) 25 Stunden benötigte, noch heute meine ich, mehr als notwendig, aber mein Fahrlehrer hatte den Ruf eines Stundenschinders. Am Ende waren es auf den Pfennig mit allem inklusive 350,00 DM (in heutiger Währung € 180,00…). Kurios auch, dass ich damals zeitgleich mit meiner Mutter den Führerschein machte, sie brauchte das Doppelte an Fahrstunden, aber das Gute war, dass meine Eltern sich gleich nach bestandener Prüfung einen Wagen anschafften. Den genialsten Kleinwagen, den man sich damals denken konnte, dazu mit bezahlbarer Automatik, aus niederländischer Produktion, nämlich einen DAF 55, Farbe: Mostaza = Senffarben.


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Das Autor fuhr vor und rückwärts gleich schnell


Diese Wagen der Marke DAF zeichneten sich durch ihre Variomatic aus, ein stufenlos verstellbares vollautomatisches Getriebe, das mit einem Keilriemen betrieben wurde. Meine Mutter war vom ersten Moment überraschend großzügig darin, mir den Wagen für meine Fahrten zu überlassen, ich gondelte mit Freunden damit viel durch die Gegend, aufs Land zu Dorfdiskos, auch einmal in tiefstem Winter – das einige Jahre etwas später, mittlerweile war der DAF grün und ein kleiner, gemütlicher Kombi geworden – durch die DDR nach West-Berlin, um einen Liebhaber zu besuchen, der in Kreuzberg wohnte und dem das Geld für Kohlen ausgegangen war. So blieben wir die meiste Zeit im Bett.


Aber nochmal zurück zu Martin Brinkmann


Einen knallheißen Job hatte man mir angedient, denn ich wurde sowohl in Früh- wie in Spätschichten am Anfang der Produktionsstraße eingesetzt, an der an ihrem Ende die verschiedenen Marken, mit und ohne Filter, des Martin-Brinkmann-Portfolios in ihren entsprechenden Verpackungen ausgespuckt wurden: »Lux Filter«, »Laurens ohne Filter«, »Peer Export«, »Peer 100« und vor allem der Renner, die »LORD Extra«, eine Mischung, die geschmacklich an eine grausige Beleidigung für jeden ernsthaften Raucher grenzte.


Nun, dort am Beginn der Produktionskette, die über mehr Stockwerke lief, war meine Aufgabe, gute eineinhalb Meter hohe Paletten mit den verschiedenen Tabaksorten in große rotierende heiße Trommeln zu kippen, in denen die vorher die dicht zusammenklebenden Tabakblätter mit hoher Wärme zum Auseinanderfallen gebracht wurden.


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In der zweiten Hälfte meiner drei Monate hatte ich eine weniger Schweiß treibende, wenn auch recht absurde Aufgabe zu erfüllen, nämlich 5- und 10-Pfennigstücke in einer Betonmischmaschine zu waschen und zu trocknen. Wozu? Damals warf man für Schachteln mit 20 Zigaretten Inhalt in einen Automaten zwei Markstücke ein, während die Packung als solche aber nur 1,75 DM kostete. In der Packung war an einer der beiden Breitseiten der Box das Wechselgeld von 25 Pfennigen in (eben u.a. von mir) gesäuberten Münzen eingefügt.


Seit 25 Jahren rauche ich nun nicht mehr, aber nicht ich war der Grund, dass die Martin Brinkmann AG, einstmals einer der ganz großen Player in der deutschen Tabakindustrie, am Ende seine Produktion einstellen musste. So verloren tausende von Mitarbeitern ab den siebziger Jahren bis zum endgültigen Aus und nach mehreren Besitzerwechseln 2021 ihre Arbeit. So reihte sich auch die Martin Brinkmann AG, einst eines der großen zentralen Wirtschaftsbetriebe Bremens, alle eben auch mit hohen Mitarbeiterzahlen, zu denen ein, die einer nach dem anderen pleitegingen: ob Borgward mit seinen Goliath- und Lloydwerken (1961), die emblematische Bremer Werft der A.G. Weser (1983) oder in immer bedrohlicher werdenden Schwierigkeiten ebenso die Bremer Vulkan AG in Bremen-Blumenthal, 2010 ging es dort ganz am Schluss in deren endgültigen Konkurs, an gleicher Stelle der Stadt musste dann auch noch die Bremer Wollkämmerei · BWK (2008) ihren Betrieb einstellen.


Zu neuem Leben auferweckt


Lange passierte auf dem riesengroßen, 20 ha umfassenden Brinkmann-Gelände nichts, außer dass hier und dort kleinere Betriebe die leerstehenden Hallen oder Werkstätten nutzten. Bis  im Jahre 2018 das gesamte Areal des Tabakkonzerns von derm Immobilienunternehmen Justus Grosse erworben wurde, und das Projekt »Bremer Tabakquartier« entwickelt wurde. In den alten Fabrikgebäuden (einige von ihnen stehen unter Denkmalsschutz) entstanden Wohnungen, Lofts, Büros, alles in höheren Qualitäten, aber auch Räume für Ateliers für Künstler, Initiativen wurden geschaffen, seit 2021 spielt hier u.a. das »Boulevardtheater« auf.


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Die ehemalige Lagerhalle für Rohtabak wurde zum Sitz der »Bremer Philharmoniker«, die dort seit 2022 ihren Probenraum haben, der als »kleiner Saal« für Konzerte zur Verfügung für gut 300 Zuhörer steht und der seit dem Januar 2023 den Namen »Joachim-Linnemann-Saal« trägt, in Gedenken an den Bremer Immobilienunternehmer Joachim Linnemann (1956-2022), dem ehemaligen geschäftsführenden Gesellschafter der Firma Justus Grosse, dessen Name maßgeblich und entscheidend, damit untrennbar mit der Umwandlung dieses historischen Fabrikgeländes in ein vollkommen neues Quartier zum Wohnen, Arbeiten, Kultur verbunden ist.


Überhaupt hat das Projekt dazu beigetragen, dass die auf der Neustadtseite liegenden Stadtteile, gerade die, die in der unmittelbaren Umgebung des Tabakquartiers liegen, wie Woltmershausen, auch Pusdorf genannt, oder Rablinghausen, ein wenig aufgewertet wurden, obwohl es manchmal kostet, die Bremer zu motivieren, große, längere Wege über die Grenzen ihrer engeren Kieze hinaus auf sich zu nehmen…


Es gibt noch viel zu tun


Da gibt es noch einiges an Aktivitäten zu schaffen, und gerade dazu können auch die Angebote der Bremer Philharmoniker beitragen. Zum Beispiel ist dazu deren neue Konzertreihe »My Playlist« zu zählen, zu der prominente oder populäre Bremer und Butenbremer eingeladen werden, um sich mit dem Bremer international anerkannten Musikjournalisten und Moderator Axel Brüggemann über und um ihre musikalischen Vorlieben zu unterhalten. Den Start bildete im vergangenen Jahr der Komiker und Musiker Wigald Boning, am vergangenen Freitag kam der Cartoonist und Maler Til Mette zu Besuch.


Es versteht sich von selbst, dass die musikalischen Einlagen von den Musikern der Bremer Philharmoniker zum Klingen gebracht werden, als nächstes sind der legendäre Trainer des SV Werder Thomas Schaaf, der in Bremen-Vegesack geborene aufgewachsene Entertainer Jan Böhmermann und der Journalist und Chefredakteur von »DIE ZEIT« Giovanni Di Lorenzo eingeladen.


Noch was Persönliches zum Schluss


Bei meinen Recherchen zu der Geschichte der Martin Brinkmann AG, bei der ich mich hauptsächlich von Quellen im Internet bedient habe, stieß ich dort auch auf eine Sammlung historischer Fotografien aus »besseren« Zeiten des Tabakunternehmens


Eines davon zeigt das Kollegium der Tabakprüfer aus den sechziger Jahren, und auf ihm fand ich einen »Nennonkel« meiner Familie wieder, nämlich Heinz Brinkmann, der die rauchenden Mitglieder derselben, zu denen ich damals noch nicht gehörte (das Unheil begann erst im Sommer 1969 im Süden Frankreichs im schönen Cassis und die Qualmerei währte bis zum Sommer 2000) immer gerne und großzügig mit Rauchwaren versorgte, mit Zigaretten und für unseren Vater mit Zigarren...


Trotz der Namensidentität war der Onkel aber kein Mitglied der Gründerfamilie des Konzerns.


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Weblinks:

  • Tabakquartier Bremen: Link

  • Bremer Philharmoniker: Link

  • Konzertreihe »My Playlist«: Link

  • Geschichte/Kontroverse um das Brinkmann-Mosaik: Link


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