Es weihnachtet
- Guenter G. Rodewald

- vor 17 Stunden
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Aktualisiert: vor 6 Stunden

25. Dezember 2025 · Seit vielen Jahren schon wirkt ein Tag wie der Heiligabend auf mich nicht mit einer besonderen Kraft ein. So macht es mir nichts aus, diesen Tag allein zu verbringen, ich liebe den Tag gerade deswegen. So auch wieder in diesem Jahr. Es schien den ganzen Tag eine unmissverständlich radikale Sonne, es blies jedoch ein eiseskalter Wind aus östlicher Richtung.
Einige Stunden nachdem es dunkel geworden war, machte ich mich mit meinem Dreirad auf, langsam durch die Strassen unseres Ortes zu fahren und hinter den Fenstern der Häuser Weihnachtsbäume leuchten zu sehen. Das wiederum rührt mich dann doch und entführt mich in Erinnerungen an die Kindheit. So wie ich auch gestehe, dass ich an den Nachmittagen gerne Sendungen wie „wir warten auf das Christkind“ oder eben den Weihnachtsmann, abhängig davon, welcher Sender spielt, gestern war es bei BR Klassik...
Durch die kalte Nacht
Durch die menschenleere Fußgängerzone, gleich um die Ecke meiner Wohnung, die ich vor wenigen Monaten bezogen habe, in den Räumen der Banken und der Sparkasse haben sich Obdachlose eingerichtet. Gut, dass man ihnen wenigstens diese Möglichkeiten gibt.

Dann habe ich mich in meine neuerdings Stammkneipe, dem `Fähr-Haus‘, das neben dem ‚Grauen Esel‘, dem ‚Hafen Burger‘, dem ‚Hotel Restaurant Strandbude‘ und dem Restaurant ‚Goden Wind‘, die nördliche Kante der Einfahrt aus der Weser in den Vegesacker Museumshafen bildet. Ich war noch recht früh, das Lokal hatte angezeigt gehabt, dass es um 21 Uhr an dem Abend öffnet. Noch fand ich einen meiner Lieblingsplätze unbesetzt.
Es wird voll
Dann setzte aber schon bald der große Ansturm an derer, die von ihren familiären Bescherungen und Kartoffelsalaten mit Bockwurst Bescherungszeremonien Flucht ergreifen, sehr viele junge Leute, um sich dort wiederzutreffen, weil sie sicher auf die gleiche Schule gegangen waren, dort zusammen ihr Abitur gemacht haben, mittlerweile in aller Welt zerstreut lernen, studieren, arbeiten, aber es sie eben zu Weihnachten immer weiter nach Haus treibt oder zieht. Sie trinken, trinken, rauchen, rauchen, und ich sitze dazwischen, kennen niemanden, durch meine regelmäßigen Besuche nur die Frauen, die an der Theke sehr geduldig den reibungslosen Ausschank garantieren.

Blicke
Ich schaue dem Treiben zu, man lässt mich auch meine Blicke durch den nicht sehr großen Raum, es gibt durchaus junge Männer, die meinen intensiveren abbekommen, zwei junge vergucke ich manchen, auf zwei junge, kräftige Männer habe ich es abgesehen, die sogar beschämend meine Blicke erwidern. Aber aus diesen Blicken entwickelt sich nicht mehr, macht mir dennoch Freude, prickelt. Aber am Ende wird es voller, voller, längst sitze ich nicht mehr alleine an meinem Stammtisch, die anderen vier schreien sich gegenseitig, weil es mittlerweile so laut durch die große Menschenmenge geworden ist und die sich nun auch alle sehr laut untereinander artikulieren. Dazu dröhnt die Musikbox, die heute als keine in einer Ecke stehende Box tönt, sondern über schwere an der Decke hängende Lautsprecherboxen ihre Songs verbreitet, in ihrer Mehrheit musikwissenschaftlich in den 70-er und 80-er anzusiedeln sind.
Heimfahrt

Nach zwei Hefeweizen nehme ich meinen Gehstock, zahle meine Zeche, verlasse die laute, vollgequalmte Gaststube, ziehe mir meine wollene Sturmhaube, die ich am Tag vorher von einem guten Freund geschenkt bekommen hatte. Darüber noch meine Stetson-Wollmütze, die gefütterte Lederjacke bis oben zugeknöpft. Lederhandschuhe, innen mit Lammfell bezogen, ich schwinge mich auf mein Dreirad und fahre an der Weser entlang durch den Stadtpark, allein auf weiter Spur und genieße die gute Luft und das leise Schlagen der Wellen des Flusses, in dem die Flut am Steigen ist. Am Ende geht es die Rampe hoch in die Straße, in der ich wohne, öffne mir das Tor der Tiefgarage mit dem Drücken auf die Fernbedienung, lasse das Rolltor hochklappern, fahre die Abfahrt hinab, rolle auf meinen Stellplatz, , zückte die Fernbedienung erneut, lasse das Tor hinunterfahren, parke mein Dreirad in meiner Parkbucht an, in dem außerdem mein Ersatzelektroroller steht, wie mein auf meine Behinderung eingerichteter PKW steht.
Ich nehme den Fahrstuhl aus der Tiefgarage in das zweite Stockwerk, schließe die Tür zu meiner 2-Zimmer-Wohimg auf, die mich mit einer durch die Fußbodenheizung wohligen Wärme empfängt, schenke mir noch einen Scotch ein, setze mich an meinen PC, der noch in Betrieb war, schreibe den zwar recht übersichtlich gebliebenen Bericht, den ich von meinem Heiligabend schildern kann.
Ich archiviere den Text für den kommenden Tag, um ihn noch einmal durchzusehen und ihn bebildert in das Internet zu stellen. Ich gönne dem PC und den Monitoren ihre Ruhe, mache alle Lichter aus und lege mich in mein Bett, ziehe mir die Decke über die Nase, sehe mir noch den am Nachmittag angefangenen Weihnachtsfilm im Tablet ein, schlafe irgendwann wohl dabei ein.
Heute nun, am Nachmittag des Ersten Weihnachtstages korrigiere mein gestern Geschriebene und stelle es gleich in den virtuellen Raum. Und denke mir, nein, kein schlechtes Leben, wirklich nicht. Andere mögen viel, viel trauriger sein, doch, es geht mir gut.
Gutenachtgruß
So freue ich mich über die Bilder von vier Menschen, die mir vorm Zubettgehen noch zulächeln: von dem Regal von zwei Suhrkamp-Buchcovern die gute Margot Friedlaender und zwei junge Männer von einem s/w-Foto aus den dreißiger Jahren auf dem Foto des Fotobandes »MORE LOVING«. Und von der Seite das letzte fröhliche Foto meines Mannes mit dem Liebesspruch vom ganzen frühen Anfang unserer Liebe, als er mir auf einer Paul-Klee-Postkarte schrieb »Lieber Günter, ich bin bei dir. Dein Hartmut.« Doch, das tut alles sehr gut.

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