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AutorenbildGuenter G. Rodewald

Yeah, I read you!

Aktualisiert: 9. Sept. 2020


Scarthin Books in Cromford UK

... antworte ich auf die Frage, die mir der Titel Do You Read Me? dieses knapp 1.400 Gramm schweren, fast 300 Seiten starken und mit über 300 farbigen Fotos gefüllten Buch stellt, das mir der Postbote dieser Tage ins Haus brachte und in das ich mich sofort Seite für Seite verkeilt habe. Ein prächtiges Bilderbuch, das Buchläden in den verschiedensten Dimensionen, aus den entferntesten Ecken der Welt, mit den verblüffendsten gastronomischen Non-Book-Anhängseln vorstellt und die seine Autorin Marianne Julia Strauss auf ihren literarischen Reisen entdeckt hat und uns hier nunmehr porträtiert. Ein solches Buch zu publizieren traut sich - gerade in den heutigen Zeiten, die verlegerisches Risiko wie der Teufel das Weihwasser scheuen - nicht jeder, aber der seine Leser (und Buchhändler) immer wieder in Erstaunen versetzende Verlag gestalten im tiefen SO36 von Berlin-Kreuzberg hat es gewagt. Das gleich zweimal, eine Ausgabe ist in deutscher, die zweite in englischer Sprache erschienen.


Do You Read Me? besucht Buchläden, von denen man einige kennt oder von den man zumindest schon gehört oder gelesen hat: solch emblematische Tempel wie die traumhafte Livraria Lello in Porto, das Cărtureşti Carusel im rumänischen Bukarest, der Boekhandel Dominicanen in Maastricht oder natürlich das Buch-Theater und der ehemalige Tango-Tanzsaal El Ateneo in Buenos Aires. Und natürlich tauchen auch Klassiker wie Silvia Beach's Shakespeare & Company in Paris auf oder der Strand Bookstore in New York City.

Boekhandel Dominicanen in Maastricht

Viele neue Entdeckungen wird es selbst für vielgereiste Bibliomanen geben, malerische wie Baldwins Book Barn in West Chester, Pennsylvavia USA, kuriose wie The Book Barge im Canal du Nivernais in der Region Bourgogne-Franche-Comté oder der Honesty Bookshop in Hay-on-Wye UK, avantgardistische wie das Analog in Berlin oder als Gipfel im besten Sinne das Books Over The Clouds in schwindelerregenden 239 Metern Höhe in Shanghai.


Alle Projekte werden mit kurzen, manchmal auch längeren Texten beschrieben. Zwischen den vielen unter künstlerischem und informativem Aspekt gelungenen Fotografien gibt es obendrein längere Texte von verschiedenen Autoren. Alles voran die Autorin des Buches mit ihrem Vorwort, aber auch mir ihren Gedanken über den Erfolg von spezialisierten Buchhandlungen, die Bestsellerautorin Jen Campbell über ihre Vergangenheit als Buchhändlerin, die Beraterin Filona Killackey über das sinnvolle Kombinieren des Bücherverkaufs mit anderen Geschäftszweigen, die Journalistin Alison Flood über unabhängige Buchhandlungen, aber auch deren Probleme, und zu guter Letzt, aber doch am Anfang des Buches das Vorwort von Juergen Boos, dem Direktor der Frankfurt Buchmesse mit seinem glaubwürdigen Credo für die zwingende Daseinsberechtigung von Buchhandlungen.


Bei keinem der vorgestellten Läden kommen einem Zweifel, warum er in diese Sammlung aufgenommen wurde. Alle vorgestellten Buchhandlungen, immerhin sind es insgesamt 63, zeichnet etwas Besonderes aus, sei es ihr innovatives Konzept, ihre bewährte und erprobte Tradition, ihre skurrilen Komponenten oder einfach ihre Schönheit.


Lobenswert auch, dass der Band in Deutschland produziert und gedruckt wurde, nicht nur weil es ideologisch sauber klingen mag, sondern weil fast alle aufwendigeren Bild- oder Coffee-Table-Bücher heutzutage in fernen Ländern - oft in internationalen Co-Produktionen - hergestellt werden, sei es in der VR China, in Südkorea oder Taiwan. Als immer wieder hervorgeholtes Argument muss herhalten, dass man Bücher mit diesen Charakteristiken nicht zu akzeptablen Verkaufspreisen herstellen kann. Den guten und funktionierenden Gegenbeweis liefert gestalten mit diesem Opus.

Es ist eines dieser Bücher, das man Freunden schenkt, die ebenso gerne lesen und sich ebenfalls gerne in Buchläden herumtreiben. Es wird wohl keinen Bibliomanen, keine Bibliomanin geben, dem, der ein solches verlegerisches Meisterwerk nicht gefallen wird, höchstens aus dem Grund, weil sein, ihr eigener Lieblingsbuchladen darin fehlt.


In meinem Fall vermisse ich zwei: einmal Deutschlands mit 97 Jahren älteste aktive Buchhändlerin Helga Weyhe (oben links) und ihre noch aus alten Zeiten zu scheinende Buchhandlung H. Weyhe in Salzwedel (Sachsen-Anhalt). Zum zweiten die Negra & Criminal, versteckt und verborgen in Barcelonas ehemaligem Fischer- und Anarchistenviertel Barceloneta. Dieser Buchladen hätte der Autorin ganz sicher auch gefallen. Leider kann ein Besuch nicht mehr stattfinden, denn 2015 musste man aus ökonomischen Gründen schließen und ihr kongenialer Schöpfer & Betreiber Paco Camarasa (oben rechts) lebt seit zwei Jahren auch nicht mehr. Aber vielleicht könnten diese tienda und ihre historia noch einmal in einem neuen, zweiten Band auftauchen, der dann Die verschwundenen Buchläden und ihre Geschichten heissen könnte. Denn davon gibt es leider auch so einige...


ES LEBE DER LOKALE BUCHHANDEL!

 
 

P.S.: Kleines Detail am Rande: dem Buch liegt ein Aufkleber bei, der dazu auffordert, den lokalen Buchhandel zu unterstützen (Bild links). Eine Forderung, die nicht oft genug wiederholt werden kann. Hätte ihn mir gerne sofort auf mein Autoheck geklebt, um Leuten hinter mir an der Ampel, im Stau oder auf dem Parkplatz vor meinem Haus zu solchem Verhalten zu verleiten, aber was nützt ein Aufkleber auf transparentem Grund mit schwarzen Lettern auf schwarzem Autolack? Do You Read Me? - No, I Can't! - So fordere ich also den gleichen Aufkleber mit weißen Lettern! (Bild rechts)

 

Weblinks:

  • Die Gestalten Verlag: Link

  • Index: Link

  • Zu Besuch bei Helga Weyhe: Link

  • Über Paco Camarasa und seine Buchhandlung: Link

 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info.

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