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AutorenbildGuenter G. Rodewald

1, 2, 3, viele Piattis

Aktualisiert: 14. Nov. 2021


11. November 2021 - Das war ein genialer Streich, als sich 1961 elf deutschsprachige Verlage zusammentaten, um einen gemeinsamen Taschenbuchverlag zu gründen und damit der deutsche taschenbuch verlag · dtv entstand. Diese Verlage hatten selbst keine eigenen Taschenbuchreihen, wie andere große Konkurrenten bereits, eben Rowohlt oder Fischer. Noch nicht einmal Knaur oder Lübbe, die kamen beide erst 1963 auf den Markt.


dtv vereinigte elf der (damals noch) unabhängigen deutschsprachigen Verlage und dadurch, dass sie sich finanziell zusammenschlossen, konnten sie ihre Taschenbuchausgaben selbst vermarkten, anstatt die Lizenzen an Dritte zu verkaufen und sich mit diesen die Einkünfte splitten zu müssen. Auf der anderen Seite war es ihre Absicht, eine Taschenbuchreihe „für Anspruchsvolle“ zu kreieren, wie sie sich selbst bewarben, denn bis dahin hatte dieses Genre immer noch den Odeur von „Wegwerfbüchern“. Das neue Konzept und seine damalige originelle und moderne Einführung führte dazu, dass sowohl der Buchhandel, wie die Leser, aber auch das Feuilleton ausgesprochen positiv reagierte.


Der erste Leiter dieses Verlagsgebildes war übrigens kein Geringerer als der Verleger Heinz Friedrich (1922-2004), der von 1959 bis 1961 Programmdirektor bei Radio Bremen war.


Der Grafiker


Die zweite geniale Idee, die mit dieser Idee einherging, war, den Schweizer Grafiker Celestino Piatti (1922-2007) zu engagieren, der von der ersten Nummer an - Heinrich Bölls Irisches Tagebuch – die Cover aller dtv-Ausgaben und Reihen bis Anfang der neunziger Jahre (insgesamt um die 6.300) und Plakate zu gestalten und den Büchern ihr unverwechselbares Image zu verschaffen.

Seine eigenen Grafiken oder andere Motive erschienen auf schneeweißem Grund, alles mit der durchgängigen und unverwechselbaren Typografie der Akzidenz-Grotesc. So stammte natürlich auch das unverwechselbare Logo des Verlages von ihm, mit dem von Anfang alle dtv-Publikationen ausgestattet waren, bis es mit dem Herbstprogramm 1996/97 ein etwas moderneres Aussehen erhielt.


Das erste Piatti-Kinderbuch


Piatti war durch die Vermittlung des Verlegers Bruno Mariacher (1922-2011) des Schweizer Artemis Verlages zu dtv gestoßen, er war damals schon ein hochangesehener und vielbeschäftigter Gebrauchsgrafiker. Aber 1963 schuf er sein erstes Kinderbuch, das wohl alle kennen und womöglich mit ihm groß geworden sind, die diesen Beitrag lesen.

Und bei mir jetzt überhaupt nur den Ausschlag gab, diese Geschichte um den dtv-Verlag aufzublättern, sein Titel war Eulenglück und erschien im Artemis Verlag, Text von Theo van Hoijtema.


Zwei Jahre später folgte ABC der Tiere. Es zeigte auf seinen 16, später 30 Seiten alle Buchstaben des deutschen Alphabets zusammen mit einem von Piatti gemalten Tier, dessen Namen mit eben derselben Letter begann, also von A wie Alligator bis Z wie Zebra. Begleitet wurden die Bilder jeweils mit Reimen von Hans Schumacher.


1987 folgte Zirkus Nock, mit dem Text von Piattis zweiter Frau Ursula Piatti. 1968 erschien Die Heilige Nacht, ein prächtig illustriertes Buch mit der Weihnachtsgeschichte, ein Text von Aurel von Jüchen. 1970 publizierte Piatti auf einen Text von Max Bolliger Der goldene Apfel. Die letzten zwei waren 1973 Der kleine Krebs und 1976 Barbara und der Siebenschläfer, beide wieder mit den Texten von Ursula Piatti.


Alle diese Titel erschienen in ihren ersten Ausgaben im Artemis Verlag Zürich, heute stehen das ABC der Tiere und das Eulenglück weiterhin stolz im Katalog des NordSüd Verlages.


Aber schmücken tut sich NordSüd mit der prunkvollen, voluminösen Ausgabe von 216 Seiten aus Anlass des 100. Geburtstages von Celestino Piatti mit dem Titel Piatti für Kinder und mit den Faksimiles aller seiner sieben Kinderbücher, begleitet von einigen Texten über sein Werk und Schaffen.


So ist ein wahrer Schatz entstanden, ein wunderschönes Geschenk zu Weihnachten, sowohl für kleine Leser, aber ebenso für Erwachsene, die diesem so besonderen Zeichner wiederbegegnen können.


Zwei weitere Fundstücke


Und wer Piattis Spuren noch weiter folgen will, dem seien zwei weitere Bücher empfohlen: dtv selbst hat einen prallen Bildband zum 100-sten Geburtstag des Grafikers publiziert: Alles, was ich male, hat Augen, herausgegeben ist er von Claudio Miozzari und Barbara Piatti, der Tochter des Künstlers.


Diese 384-seitige Hommage erzählt anhand vieler seiner Werke und von bisher unveröffentlichten Fundstücken aus dem Privatarchiv der Familie Piattis ganze Geschichte als Künstler, aber auch als Familienmensch. Eine opulente Würdigung


Eine weitere, eher theoretische, aber ebenfalls reich bebilderte Monographie Celestino Piatti und dtv · Die Einheit des Programms erschien in der A5-Reihe A5 von Lars Müller Publishers Zürich. Sie schildert Piattis komplexes Schaffen für dtv und hebt seine entscheidende Bedeutung hervor, mit der am Durchbruch dieser seinerzeit revolutionären verlegerischen Idee zum Durchbruch verhalf.

 

Weblinks:

 

Reaktionen:

  • »Großartig, Deine drei Blogs, die mehr als Blogs sind - echte Perlen eines Kenners seiner Sujets! Das kann ich verstehen, dass Du so etwas am liebsten schreibst, denn es gelingt Dir perfekt, sehr nah und spannend für die LeserInnen. Es war eine schöne Lesestunde!« - Elisabeth R., Verlegerin Hamburg

 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info- Wir freuen uns über jede Reaktion.

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1 Comment


Ernst Matzke
Ernst Matzke
Mar 22

Danke für den sehr interessanten Beitrag zu Piatti. In den 1960er-Jahren hatte ich die große Freude und Ehre, ihn in der Schweiz zu besuchen, um mit ihm neue Motive für eine Plakatserie einer damals erfolgreichen Brinkmann-Zigaretten-Marke (MOKRI - im Königsformat) zu besprechen und mit ihm zu realisieren...

Ernst Matzke

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