Eine sehr traurige Nachricht erreichte uns: unsere Freundin Monika Fredebrecht ist tot, am Abend des 18. Dezember ist sie in Managua verstorben. Monika war unsere Kollegin im Buchladen Ostertor in Bremen, in dessen Kollektiv ich 1978 aufgenommen wurde.
Damit haben wir auch die letzte der drei Frauen verloren, die unser Projekt so nachhaltig geprägt und mitgestaltet haben: erst Gitti, die schon vor zehn Jahren in Berlin starb und zuletzt Agnes ‚Aki‘, die uns erst letztes Jahr verließ.
Es bleiben nunmehr wir Jungs über, Holger, der zusammen mit Monika und Gitti den Laden 1977 im Sielwall nº 7 gründeten, Knud, der schon sehr bald dazukam, ich dann 1978, Mario Anfang der 80-er Jahre und als letzter stieß Andreas dazu.
Bald nachdem der Buchladen im Herzen des Bremer Ostertorviertels eröffnet hatte. wurde ich dort regelmäßiger Gast, weniger Kunde, denn ich kaufte – außer der einen oder anderen alternativen Zeitschrift – wenig, aber das Ambiente, die Leute dort im Laden wuchsen mir sehr schnell ans Herz.
Das musste auf Gegenseitigkeit gestoßen sein, denn irgendwann im Spätsommer 1978 war es eben genau diese gute Monika, die die zweifellos vorher im Kollektiv abgesprochene Frage an mich richtete, ob ich ihnen nicht in den drei Herbstmonaten aushelfen wollte, denn auch hier sah man – trotz aller alternativen Sichtweisen auf den Kommerz – ein erstes arbeitsames Weihnachtsgeschäft auf den Laden zukommen und da tat personelle Verstärkung not.
Man wusste von mir auch meine Vorbelastung, denn schließlich war mein Vater Buchhändler in Bremen gewesen, und – auch wenn ich nie das Bedürfnis gehabt hatte, den gleichen Beruf wie er auszuüben – ich habe viel in seinem Laden gesessen, ihm zugesehen, wie er seine Kunden betreute, mein Taschengeld mit Packen und Botengängen auf dem Fahrrad durch ganz Bremen aufgefrischt hatte.
Aber ich freute mich damals, mich endlich in neuer Umgebung und anderen Anforderungen gegenüber ausprobieren zu können. Und das Kollektiv, damals eben Monika, Gitti, Holger und Knud, nahmen mich in ihrer Mitte auf. Ich fühlte mich sofort wohl, akzeptiert, willkommen geheißen. Umso mehr, weil mein schwules Coming-Out damals noch nicht allzu lange zurücklag. Da tat einem solch freundschaftliche, ja familiäre Aufnahme umso wohler.
Monika verließ uns dann 1981 Richtung Nicaragua, sie konnte und sollte dort als gelernte Goldschmiedin im Auftrag der Evangelischen Entwicklungshilfe (EED) junge Leute ausbilden, um aus den nicht unerheblichen Goldreserven des Landes zum Wohl der eigenen Bevölkerung zu produzieren. Denn unter dem Somoza-Regime, das von der sandinistischen Revolution 1979 verjagt worden war, waren alle Bodenschätze außer Landes geschafft worden.
Außerdem war Monikas Sehnsucht nach dem Leben in Lateinamerika während ihrer Jahre in Bremen nie erloschen, war sie doch als junge Frau aus dem in den 60-er Jahren wohl sehr einengenden Milieu ihrer westfälischen Heimat nach Brasilien aufgebrochen. Später lebte sie dann in Santiago de Chile, war dort politisch mit viel Engagement und Entschiedenheit an der Demokratisierung des Landes unter Salvador Allende aktiv beteiligt.
Und konnte 1973 nur in allerletzter Sekunde dem Zugriff der Pinochet-Putschisten entkommen. Wie sie erzählte, in der letzten Maschine, in der Kanzler Helmut Schmidt seinen Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski nach Chile geschickt hatte, um deutsche Bürger und Familien aus dem Land zu holen. Unter ihnen also auch Monika mit ihrem zweijährigem Sohn Manolo.
Die beiden kamen dann bald nach Bremen und Monikas Kontakte zu den vielen chilenischen Exilanten, die Deutschland, und ganz besonders auch das Land Bremen aufgenommen hatte, waren sehr eng. Ebenso muss sie auch eine gewichtige Rolle im Widerstand gegen das Regime gespielt haben, ich erinnere mich, dass einmal das chilenische Exilkabinett bei uns im Buchladen getagt hatte. Schon die uns allen damals noch fremde Sprache gab dem Ganzen allein schon einen zweifellos konspirativen Charakter, das es aber erst recht geworden wäre, wenn man die vielen Männer, unter ihnen Monika in wichtiger Rolle, verstanden hätte.
1991 beschrieb Monika in einem Interview mit dem Deutschlandfunk
rückblickend auf die Situation in Nicaragua, als sie dort 10 Jahre früher ankam:
„Das was so fantastisch war, es war so ein Enthusiasmus in der Luft. Alle Leute waren begeistert, machten irgendwas, stellten die verrücktesten Sachen auf die Beine von heute auf morgen, ohne irgendwelche Vorbereitung, ohne Planung, ohne alles. Und irgendwie war das eine unheimlich positive Atmosphäre.“
Mit Bitterkeit und machtvoller Empörung empfand sie dann umso mehr, was sich aus diesen Zeiten entwickelt hat, wieder zurück zu einem neuen autokratischen korrupten Regime in Händen des Clans des Sandinistenführers und Präsidenten des Landes Daniel Ortega und seiner Ehefrau Rosario Murillo.
Aber auch das hat Monika nicht dazu verleiten können, ihre Hoffnung auf eine funktionierende sozialistische Gesellschaft aufzugeben. Sie ließ sich durch niemanden jemals verbiegen.
Nur schwer hatten wir Monika damals Richtung Nicaragua gehen lassen. Sie war eben auch im Buchladen-Kollektiv eine zentrale Figur gewesen. Unsere Freundin Wiebke beschreibt sie gut, wenn sie meint, sie zeichne eine „praktische Intelligenz“ aus.
Aber daneben waren es ihre Großherzigkeit, ihre Solidarität und ihr einnehmender Humor, der sie so herzerfrischend und schallend lachen ließ, die man an ihr schätzte. Auf der anderen Seite konnte sie Menschen ihre bisweilen kompromisslose Strenge spüren lassen - sie war allergisch gegen jedwede Form der Bestechlichkeit oder von Opportunismus, wie sie selbst immer immun gegen solche Verführungen geblieben ist.
Ein wunderbares Erlebnis war es, sie im Sommer 1999 in Managua besucht zu haben. Mit Wiebke flogen wir über Madrid und Miami in ein vollkommen fremdes Land, in dem ich dann aber den großen Vorteil hatte, mich verständigen zu können, denn ich selbst lebte damals ja schon fast 15 Jahre in Barcelona, war also des Spanischen recht mächtig.
Unvergesslich war der letzte Teil der Anreise, der von Miami rüber nach Managua: es war wohl die allerälteste Maschine aus der Flotte der IBERIA, mit der wir fliegen mussten. Der Flieger schien sich geradezu um sich selbst zu winden, die Motoren unerhört laut und die Sitze wackelten hin und her und teilweise mit Schrauben nur notdürftig befestigt. Dazu zwei kichernde Stewardessen, die großzügig Sekt ausschenkten, selbst auch fleißig mittranken. Und seit Barcelona mit uns immer im gleichen Flieger der Herr, der auf seinem Schoss während der ganzen Flüge eine hölzerne Replik der ‚schwarzen Madonna‘ vom Kloster Montserrat sitzen hatte.
Um ins Land zu kommen, mussten wir dann noch – natürlich ohne Quittung – jeweils US-$ 10,00 den Zollbeamten über den Schaltertresen schieben, um einreisen zu dürfen, aber dann begannen zwei wunderschöne und aufregende Wochen, in denen Monika uns viel vom Land zeigte. Außer uns trafen wir dort auch auf Ilka, Wiebkes Tochter, die sich mit ihrem Mann Oliver auf einer mehrmonatigen Lateinamerika-Reise befand und die sich als letzte Station Nicaragua und den Besuch bei Monika und Manolo in Managua ausgesucht hatten.
Wir fuhren alle zusammen hoch in den Norden des Landes, nach León und in die Urwälder um Matagalpa, in den Süden nach Granada und zum und über den Nicaragua-See auf die Isla de Ometepe, an die Pazifikküste.
Wie gesagt, unvergesslich.
Und ebenso schön war es, Monika auf ihrer „Tournee“ vor einigen Jahren an ihre europäischen Lebensstationen auch bei Wiebke und Alain im südfranzösischen Tuchan und bei uns im katalanischen Valldoreix begrüßen zu können. Ach, auch damals haben wir viel und so herzlich miteinander gelacht und tiefgreifend diskutiert.
Wir hören aus Managua und es wäre ein gewaltiger Trost, dass Monika nicht allzu sehr leiden musste, als sie jetzt ihren Abschied nehmen musste. Das würde so gut zu ihr passen und würde man ihr so sehr wünschen. Sinnlos lange Diskussionen mochte sie nie…
Und gut für alle, dass Manolo und Tania in ihren letzten Stunden bei ihr sein konnten.
Aber eine große und wohl kaum jemals nicht zu schließende Lücke reißt ihr Tod jetzt auf, bei allen, die sie liebhatten. Zu allererst bei Manolo, den – sicher auch aufgrund gemeinsam erlebter Erfahrungen - eine so vertrauensvolle und gegenseitige Beziehung mit seiner Mutter verband. Von dieser Stelle wünscht man ihm die allergrößte Kraft, diesen Verlust verkraften zu können. Dabei werden ihm seine Frau Tania und Monikas und Manolos vielen Freunde in Managua und ganz Nicaragua helfen.
Und wir hier in Bremen und Deutschland aus der zwar geografischen großen Entfernung, aber in der emotional umso größeren Nähe sind in Gedanken ebenso so dicht wie möglich bei Dir, lieber Manolo.
¡Ánimo, cariño!
P.S: Spenden für Monikas Krankenhauskosten (sie war nicht krankenversichert) und ihre Bestattung würden Manolo sehr helfen.
Kontonummer in Deutschland:
Kontoinhaberin: Ellen Krumstroh
Kennwort: Monika Fredebrecht
Bank: Sparkasse Lüneburg
IBAN: DE 18 2405 0110 0000 3765 25
Kontonummer in Nicaragua:
Kontoinhaberin Tania Barreda
Bank: AVANZ
Referencia: Monika Fredebrecht
Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info.
Sie war eine gute Freundin von meinem Freund Wolfgang Meier. Ich habe die Kooperative in Managua ot besucht wenn ich in Nicragua war. Das erste mal habe ich sie 1984 kennen gelernt und ihre Goldschmiedekunst bewundert. Eigendlci war si eimmer frohgelaunt. Schließlich hat sie auch meine Hochzeitsringe gemacht. Ich werde sie nie vergessen.