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AutorenbildGuenter G. Rodewald

(Belesene) Freunde hat man gern

Januar 2025 - Es ist schön, auf Freunde und Freundinnen zählen zu können, gerade wenn man selbst allein geblieben ist. Und besonders auch, wenn sie obendrein belesen sind. So hat mich vor einiger Zeit ein Freund auf ein Buch hingewiesen, eine Anthologie, daraus auf einen Beitrag, der indirekt mit mir, bzw. mit meiner Familie zu tun hat. Darin taucht auf 34 Zeilen eine Geschichte auf, die – ohne dass sie einen Namen nennt - einen Antiquariatskeller in der Bremer Innenstadt beschreibt, der unzweifelhaft zu der Buchhandlung meines Vaters gehört. Die Passage beginnt so:


»Am nächsten Morgen habe ich noch Zeit bis zur Abfahrt des Zuges; ich

fülle sie mit weiteren Wanderungen durch die Stadt aus. Eine Stadt, in der

ich mich selten verirre; und siehe da, als ich mich verirre, stehe ich vor

einem Antiquariat.«


Mein Vater hatte diesem Keller seine ganze Leidenschaft gewidmet, denn zu gerne ‚wühlte‘ er darin herum, vergrub sich in ihn, wenn der Laden oben im Parterre schon geschlossen war oder man ihn dort für eine Zeit entbehren konnte. So sehr er sich für seinen Beruf als Buchhändler begeistern konnte, ihn lebte und liebte, und diese Liebe auch an mehrere Generationen weitergab, die bei ihm diesen Beruf erlernten – unter anderem an die legendäre Bremer Buchhändlerin Bettina Wassmann (1942 – 2024) oder an weiteres Urgestein des Bremer Buchhandels, den Gründer der Albatros Buchhandlung im Fedelhören, Hermann Figge ging er wohl noch mit größerer Passion in seiner Rolle als Antiquar auf.


Es freut mich, dass ich auf diesen Text über meinen Vater Wilhelm Rodewald (1912 – 1978) gestoßen wurde, der in der 1968 im Bremer Verlag Friedrich Röver erschienenen Anthologie »Zwischen zwei Zügen in Bremen · Begegnungen mit einer Hansestadt« auftaucht. Er steht dort in dem Beitrag von Herbert Heckmann (1930 – 1999), dem Träger des Bremer Literaturpreises 1963 für seinen Roman »Benjamin und seine Väter«.


Die acht Beiträge dieses Samplers entstanden im Rahmen einer Sendereihe von Radio Bremen in den 60er Jahren, unter anderem von Christa Reinig (auch Bremer Literaturpreisträgerin, ein Jahr nach Heckmann, im Jahre 1962 für »Gedichte«), Edzard Schaper und Paul Schallück.


Ganz sicher wusste ich damals beim Entstehen und bei Erscheinen des Buches von diesem Passus, denn in der Familie wird es ganz sicher Thema gewesen sein, aber offensichtlich habe ich es vergessen. Friedrich Röver (1920 – 1978) - mit dem Sitz seines Verlages zunächst in Bremen-Lesum und später in Leuchtenburg - war ein enger Freund meines Vaters. Die beiden haben viele spannende verlegerische Projekte miteinander verwirklicht, in der Hauptsache Bremensien. Auch unsere beiden Familien waren eng befreundet.


Später zog der ganze antiquarische Fundus aus dem Keller zwei Stockwerke höher, in die über dem Laden liegende Etage, wo mein Vater sein antiquarisches Angebot noch viel großzügiger präsentieren konnte. Eine weitere Veränderung wurde später notwendig, es blieb zwar in einem ersten Stockwerk, aber nicht mehr in der Pelzerstrasse 4 wie bis dahin, sondern im Schüsselkorb in der Nummer 12 A.

Ungewollt auf väterlichen Spuren


Es ist immer wieder schön, mit Geschichten, manche vergessene, andere wieder aus der Tiefe von Erinnerungen hoch gefördert, in Reminiszenzen an die vielen Jahre zurückversetzt zu werden. Jahre, in denen die Buchhandlung, deren Keller, später das geräumige Antiquariat oben in der 1. Etage der Pelzerstraße 4 und die Bücher überhaupt in unserer ganzen Familie immer eine sehr zentrale Rolle gespielt haben, auch beruflich. Selbst ich, der ich eigentlich nie für mich etwas mit dem Beruf des Buchhändlers im Sinn hatte, landete plötzlich als klassischer Quereinsteiger in diesem Gewerbe. Damals als mich meine Freunde und Freundinnen des Bremer Buchladens Ostertor 1978 mit an Bord des nur ein Jahr vorher gegründeten ersten Bremer alternativen Buchladens holten.


Und auch wenn ich nie eine klassische Ausbildung in diesem Beruf durchlaufen war, wusste und kannte ich doch viele ’Handgriffe‘ aus dem Alltag einer Buchhandlung. Da ich in der Nähe des väterlichen Geschäfts das Gymnasium besuchte, kam ich nach dem mittäglichen Schulschluss oft in die Pelzerstrasse, sah und hörte meinem Vater und seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen immer gerne bei ihrem Job zu. Das waren Beobachtungen und Erlebnisse, die mir dann um die 10 Jahre später in meinem neuen Umfeld, das dann auch wieder mit Büchern zu tun hatte, sehr nützlich wurden.


Ich habe schon von Leuten zu spüren bekommen, dass diese solche Buchhändler, die ohne eine klassische Ausbildung diesen Beruf bestreiten, sich eigentlich nicht so nennen dürften. Welch ein Irrtum, wenn nicht sogar welch eine Überheblichkeit. Denn eins ist doch wohl mindestens so klar wie kaum eine Tatsache: ohne solche Quereinsteiger wäre der unabhängige Buchhandel wie der Bremer wohl nicht so gut aufgestellt wie er heute ist, und das trifft sicher auch auf so manch andere Berufe und Sparten in unserer Gesellschaft zu.


Hinaus in die weite Welt


Mit meinem Sprung 1985 hinaus aus dem Sortimentsbuchhandel, eben aus dem Buchladen Ostertor, weit in den Süden, nach Barcelona und begleitet von meinem Mann Hartmut, landete ich dort aber auch wieder in einem Business, das sich im Großen und Ganzen von dem eines Buchhändlers gar nicht so sehr unterscheidet, dem des Literaturagenten.


Auch als dieser muss man die Vorlieben und Interessen der Verlage kennen, an die man Lizenzen vermitteln möchte und die Kontakte zu ihnen pflegen. Obendrein hat der Beruf aber einen weiteren großen Reiz, dem der vielen internationalen Verbindungen, die er mit sich bringt. In den um die 30 Jahre langen Jahren, den ich diese Tätigkeit ausüben durfte, sind viele Freundschaften entstanden, von denen heute noch viele in meine Gegenwart des Ruhestandes reichen.


Die Publikation des Beitrages von Herbert Heckmann in meinem Blog geschieht mit der ausdrücklichen Genehmigung der Erben des Autors, i.e. die Erbengemeinschaft Heckmann/Eggert des Autors. Vielen Dank dafür.

 

Weblinks:

  • Herbert Heckmann: Link

  • Schöffling Verlag: Link

 

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