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AutorenbildGuenter G. Rodewald

Darf der das? Der darf das!

Aktualisiert: 28. Aug. 2022


19. Juni 2022 - Am Freitag war es wieder so weit, das alljährliche Open-Air-Festival SOMMER IN LESMONA durfte wieder in einem der schönsten Bremer Parks seine mittlerweile 28. Ausgabe feiern. Und das ganz ohne jedwede pandemische Einschränkungen wie noch in 20 und 21, obwohl man sich auch in jenen zwei Jahren die Festival-Butter nicht hatte ganz vom Brot nehmen lassen: einmal in den Wallanlagen im Theatergarten und letztes Jahr der "Hauch von Lesmona" mit Nigel Kennedy mit zwei Abenden im Park -


Begrüßt wurden die knapp 1.600 Besucher des ersten Konzertabends vom Managing Director der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen Albert Schmitt. Dieser legte die erfolgreiche Politik des Musikkonsortiums dar, die Mannschaft zu verstärken: man hat dabei eventuell vom SV Werder gelernt, als dieser transatlantische Bolzplätze nach Talenten absuchte und Spieler für das sich damals noch nicht durch Sponsoren umgetaufte Weser-Stadion engagierte. So jetzt auch die DKB, nicht ganz so weit reiste man, um den Markt der Talente abzugrasen, bevor sie im Rachen der großen Agentur-Haie landen: aber man setzte über nach Finnland und hielt dazu eine flexible Stellenbeschreibung parat, die sich Erster Ständiger Gastdirigent (oder noch besser: Principal Guest Conductor) nennt und lockte so das Multitalent, den jungen finnischen Dirigenten und Pianisten Tarmo Peltokoski (*2000), an die Weser.

Die Bremer Lokal-TV-Nachrichten-Show buten un binnen stellte den jungen Mann dann auch am Vorabend des ersten Lesmona-Konzerts in einem 3'39"-Spot vor und präsentierte dabei einen äußerst selbstbewussten jungen Mann, dem kein Superlativ zu gering zu sein scheint, mit dem er sein Verhältnis zu seinem neuen Arbeitgeber beschreibt: "They are my family", schwärmt er und setzt fort: "I love them so much", mit ihm Musik zu machen, sei vielleicht das Beste in seinem Leben. So hoch legt er die Latte.


So war man gespannt, wen man da am Abend zu sehen bekam, einen vorlauten bis vorwitzigen jungen Mann oder tatsächlich ein begabtes Jungtalent. Nun, die Sache wurde unmittelbar deutlich, als er mit seinen Musikern und einer ausgesprochen kecken und dynamischen Vorstellung der Mozartschen Zauberflöten-Ouvertüre das Konzert eröffnete.


Überhaupt Mozart: wenn Peltokoski sich als Mozart kostümiert hätte, würde man ihn für den Meister aus Salzburg selbst gehalten haben, so tänzerisch, ungestüm und galant untermalt er sein Dirigat, ohne dabei jemals aufgesetzt oder gar affig zu wirken. Ich habe nie verheimlicht, dass es mir schon immer einen rechten Spaß bedeutet hat, Dirigenten bei ihrer Arbeit zuzusehen, und in Tarmo Peltokokski kann man sich geradezu verlieben, wie er da auf seinem Dirigentenpodium herumtanzt (gut, dass man ihm ein recht großes unter die Füße gestellt hat - er braucht einfach den Platz).


Aber seine Arbeit nur unter solch ästhetischen Gesichtspunkten zu beurteilen, man würde ihm und seinem Orchester in keiner Weise gerecht, denn seine Musiker nehmen Tarmo hörbar ernst, mit der gleichen Freude, mit der er sie dirigiert, hört man sie spielen, die sie allesamt mindestens doppelt oder dreifach so alt sind wie ihr neuer Orchesterleiter.


Also bleibt für mich kein Zweifel auf meine Frage, wenn er so große Worte über seine neue Aufgabe zu wählen, wie er es im b+b-Interview geäußert hat - darf er das? ja, das darf er!


Und die Gesangssolisten des Abends hatte er ebenfalls gut "im Griff" und steckte sie mit seiner Musizierfreude an. Im ersten Teil gab es jeweils zweimal für Sopran und Tenor Mozartarien zu hören und im zweiten Abschnitt ebenfalls im Doppelpack etwas von Verdi und Puccini.


Chen Reiss meisterte alle ihre vier Auftritte mit Bravour, als Susanna mit E Susanna non vien! und mit Giunse alfin il momento als Gräfin aus Le nozze di Figaro und mit Signore, ascolta! der Liu aus Turandot und mit O mio bambino caro aus Gianni Schicci.


Tuomas Katajala unterstrich und stellte seine hohe Qualität als Tenor mit reifer Belcanto-Stimme vor allem im zweiten Teil unter Beweis, mit den Paradestücken E lucevan le stelle aus Tosca und Lunge da lei aus La Traviata. Im ersten Teil hatte er vor allem mit den brutalen Kolloraturen der Arie Fuor del mar aus Idomeno gewisse Mühe, vorher die Arie Se all'imperon, amici Dei aus La Clemenza di Tito gelang ihm besser.

Als eine der Zugaben sangen Reiss und Katajala dann noch zusammen aus Franz Lehars Die Lustige Witwe das Duett Lippen schweigen, 's flüstern Geigen, das muss wohl sein bei einem Konzert dieses Zuschnitts. Auch hier wieder unbeschwerte Elemente, beide Solisten beendeten ihren Auftritt mit einem perfekten Walzer.


Zwischen all den gesungenen Teilen des Abends zeigte die Philharmonie ihr Können mit weiteren Promenaden-Ohrwürmern, die aber allesamt perfekt in die Dämmerung und bis in die nächtliche Stimmung hinein der hohen Bäume des Baron von Knoops Park und der etwas abseits vom Auditorium gelegenen Villa Lesmona:


Nach der schon erwähnten Ouvertüre zur Zauberföte, kam von Puccini La Tregenda aus Le Villi, dann von Mendelssohn Bartholdy der letzte Satz aus seiner Italienischen. als Einleitung der zweiten Charge die Verdi-Ouvertüre von Luisa Miller, von Mascagni das Intermezzo aus Cavalleria rusticana und den Abschluss machte dann noch einmal Verdi mit der Sinfonia aus La forza del destino. Und! Als weiteres Extra am Ende die Ouvertüre von Guillaume Tell.


All die Stücke wurden vom Publikum freudig, am Ende auch mit dem einen anderen "Bravo!" und mit standing ovations belohnt, und manche leise Stelle wurde von der in den Bäumen des Parks residierende Avifauna stimmig und nie schräg im Ton begleitet. (Stellt sich bei mir die Frage: haben Vögel eigentlich ein absolutes Gehör?)


Es bleibt eine grosse Vorfreude auf ein zukünftiges Konzert der DKB unter Peltokoski unter Konzertsaalbedingungen, denn wenn klassische Musik aus David-Garrett-Music-Towern strömt, verwischt und verwäscht das den Klang erheblich, ist aber eine unumgängliche Bedingung bei einer solchen Open-Air-Performance.


Was ich als allerdings als störend bis fast belästigend an dem Abend fand, und das obwohl sie Albert Schmitt mit ausgedehnten Lobeshymnen bei seiner Begrüssung annonciert hatte, war die Conférence des Abends durch den wdr3-Moderator Daniel Finkernagel. Mir ist bewusst, einen Nachfolger eines Loriot oder eines Roger Willemsen, der mit geistvollem Humor und angemessenem Stil durch solch ein Ereignis führen könnte, ist kaum mehr zu finden, wenn überhaupt jemals wieder. Aber was Herr Finkernagel sich an platten Scherzen, schmierigen heretosexuelllastigen Altherrenwitzen, Gleichnissen mit D-Zügen (ja, wir wissen, das das "D" für Durchgang stand) geleistet hat, Mendelssohn-Bartholdy gar zu unterstellen, er hätte als Norddeutscher keine Ahnung vom Karneval, wie abgeschmackt ist das denn (im Gegensatz zu ihm - als Büttenredner vom Rhein?), und Idomeneo, Herr Finkernagel, war beim besten Willen kein Römer, sondern "re di Creta", wie die Rolle des Tenors eindeutig bei Mozart/da Ponte tituliert wird. Es tut mir leid, aber ich fand das alles sehr ärgerlich und dem musikalischen und künstlerischem Rahmen des Abends und dem Niveau der DKB in keiner Weise angemessen.

Ich hätte da eine Idee für das kommende Jahr. Wie wäre es denn mit dem Duo des Schauspielers Devid Striesow und des Film- und Opernregisseurs Axel Ranisch, die seit mittlerweile guten zwei Jahren und up to date 45 Folgen mit ihrer Kolumne "Klassik drastisch" und dem Podcast mit gleichem Titel auf Deutschlandfunk Kultur ihren feinsinnigen Humor und ihre hohe Kenntnis klassischer Musik unter Beweis stellen. Und es könnte womöglich der DLF obendrein noch als potenter Mitveranstalter und -Promoter dazugewonnen werden.

 

Weblinks:

 

Reaktionen:

  • »Herzlichen Dank für die sehr informativen Texte.Sie haben eine schöne Sprache der besonderen ART die man gerne liest. Ihre Kritik am 1. Abend der Konzerte den Moderator betr. teile ich sofort mit Ihnen. Leider hatten wir in den letzten Jahren immer solche Kalauermänner. Schrecklich!!!!« - Galeristin Birgit Waller, Bremen

 

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