top of page
  • AutorenbildGuenter G. Rodewald

Donna Anna a Brema Svizzera...

Aktualisiert: 28. Juni 2021


Mozart-Autoskript in Schloss Schönebeck gefunden?

… könnte eine plötzlich im Nachlass von Wolfgang Amadeus Mozart entdeckte Oper heißen, deren Titel der Komponist nämlich selbst noch vollkommen offengelassen hat. Dieser Zufallsfund war kürzlich im in der Bremer Schweiz gelegenen Schloss Schönebeck aufgetaucht und gelang dort am vergangenen Sonntag zu ihrer Welturaufführung. In einem adäquaten Rahmen, auf der Wiese des Schlossgartens, unter großen Eichen und zwischen jungen Birken, alles in kleinster orchestraler Besetzung vor einem angeregten und dankbar applaudierenden Publikum, das auch körperlichen Einsatz bewies, nachdem es angehalten worden war, seine eigenen Sitzgelegenheiten mitzubringen und der Aufforderung auch mit vielen Varianten nachgekommen war.


Es ist bekannt, dass Mozart ein ziemlicher Filou gewesen sein muss, so hat er es sich mit dieser Oper sehr leicht gemacht und einfach einen großen Reigen von Sopranarien aus seinen verschiedenen Opern zusammengepackt und sie mit einem Text verbunden, in dem er die Geschichte der Donna Anna mit Don Giovanni, ihrem Verlobten Ottavio und ihrem Vater noch einmal neu erzählt - ach ja, der Cherubino taucht ebenfalls auf, Selim Bassa ebenso.


Alle diese Arien legt er aber eben der Donna Anna in den Mund und in die Kehle, was in dieser Version mit Zwischentexten einigermaßen glaubhaft wirkt. Sogar mit gewisser Großzügigkeit für Donna Annas Vater, dem Komtur, denn der wird erst ganz am Ende des Abends von Don Giovanni umgebracht, oder war es doch Ottavio? Man kommt ganz durcheinander.

Nun denn, alles das ist dummes Zeug. Aber die junge in Bremen aufgewachsene Sopranistin Julia Bachmann und künstlerische Leiterin des Bremer Musikalischer Gartensalons hat sich eine solche Opernvariante ausgedacht, mit der sie und ihr stimmgewaltiger Sopran ihr Publikum bei angenehmen sommerlichen Temperaturen mit ihrem umfangreichen Repertoire von Mozart-Opernarien überraschten. Begleitet wurde sie einfühlsam, mit solistischem Können, sich aber dabei immer diskret im Hintergrund haltend: am elektrischen Steinway von der Pianistin Valeriya Myrosh und am nicht elektrisch verstärkten Cello von Joke Flecijn, das zunächst etwas zu leise klang, aber nach dem Einwurf des keineswegs wort- oder zwischenrufscheuen Publikums dichter an das Auditorium rückte und ab sofort viel besser zu vernehmen war.

Julia Bachmann ließ so die Protagonistin des gesamten Open-Air-Nachmittags, Donna Anna, nicht nur zwei ihrer eigenen Arien („Non mi dir“ und „Or sau chi l’onore“) singen, wie sie Mozart und Da Ponte in die originale Partitur vom Don Giovanni geschrieben und hineinkomponiert hatten, sondern sie durfte auch die zwei Arien der Fiordiligi aus Cosi fan tutte singen.


Eröffnet hatte das Trio den Nachmittag mit „Laudate dominum“ aus Vesperae Solennes und dem „Alleluia“ aus Exsultate Jubilate. Später coverte Donna Anna auch „Martern aller Arten“ der Konstanze aus der Entführung, „Ach ich fühl’s“ der Pamina aus Die Zauberflöte, Susanna aus La nozze di Figaro, die Vitelia aus La clemenza di Tito und gegen Ende „Dove sono“, die Arie der Gräfin aus La nozze und sehr rührend das „Batti batti“ der Zerlina, diese dann wieder aus dem Don Giovanni.


In der letzten Arie schlüpfte sie noch (ohne sich umzuziehen!) in die Hosenrolle des Cherubino aus La nozze di Figaro und dessen Arie "Voi che sapete", bei der wohl alle Opern- und Mozart-Liebhaber dahinschmelzen und die an dem Abend aus dem tiefen Herzen der Sängerin zu kommen schien. So erlag auch das Publikum dieses Nachmittags diesem schönen Mozart-Stück, bei dem sich die drei Solistinnen mit dem erneuten "Alleluja" als Zugabe bedankten.


Das Programm war lang, um die hundert Minuten stand die Sopranistin auf dem gräsernen Podium des Schlosses und bestand diese solistische Leistung mit Bravour, in den sehr hohen oder den von Mozart (mit Bosheit?) gerne den Sopranen zugemuteten tiefen Stimmlagen. All das ohne die Resonanz einer Opernbühne und inmitten der lautstark, aber immer melodiös und harmonisch begleitenden Gesängen der Singvögel der Schönebecker Aue als back voices.


Selbst gegen einen im Publikum kurz aufbellenden Hund kam Bachmann an, der aber nur kurz einen in der Ferne laut sein Organ erhebenden Artgenossen auf diese Art zur Ordnung bellte, denn ansonsten genoss auch er auf dem Schoss seines Frauchens die Mozartschen Klänge. Auch der Auspufflärm eines ein in die Stille hineinposenden Motorrad-Bikers konnte das Konzert nicht stören.


Für mich war es das erste Konzert des Musikalischen Gartensalons, alle Veranstaltungen finden immer open air statt. Sicherlich werde ich auch bei zukünftigen Aufführungen wieder dabei sein, schon weil hinter der Reihe die künstlerische Leitung von Julia Bachmann steht und damit einen hohen Standard verspricht. Und werde wieder gerne mit meinem E-Dreirad anrollen, schon weil ich auf ihm sowieso schon das Privileg habe, auf einem bequemen Sessel zu thronen und befreit davon bin, einen Klapphocker mitzuschleppen.


Ach ja, und was wäre, wenn man vom Musikalischen Gartensalon für das kommende Jahr mal eine ganze Open-Air-Produktion im Schönebecker Schlossgarten ins Auge fassen würde, vielleicht in Kooperation mit dem Musikfest Bremen 2022 und dem Theater Bremen, und warum nicht, würde doch bestens passen: Mozarts La finta giardiniera?


Und wenn ich on top dann noch zwei weitere Wünsche frei hätte: einmal natürlich Julia Bachmann in der Rolle der Sandrina und Äneas Humm als Nardo, denn dieser junge mit dem Bremer Musikfest-Preis 2018 geehrte Bariton kennt das Schönebecker Schloss bereits gut (siehe hier: https://bit.ly/3gYibDH

 

Weblinks:

 

Reaktionen:

  • »Vielen herzlichen Dank für diesen schönen und durchaus auch erheiternden Text!! Wir freuen uns sehr darüber! « - Musikalischer Gartensalon

 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info - Ich freue mich über jede Reaktion.

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page