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  • AutorenbildGuenter G. Rodewald

Eine Ferienlektüre???


Natürlich nicht! Also kein Buch, das man seinen Kindern noch im letzten Moment als Überraschung in den Rucksack packt, bevor man sie in den Zug zu Oma und Opa setzt. Ja, bei ihnen habe ich manche Ferien verbracht, in Hildesheim... war das aufregend, alleine solche Reisen schon in frühem Alter machen zu dürfen und kurz nach der Ausfahrt aus dem Bremer Hauptbahnhof winkte die andere Oma, Omi eben, zum Abschied; in Höhe der Manteuffelstrasse 16 stand sie auf der Rückseite ihres Hauses im Wintergarten und wedelte mit dem großen Geschirrtuch. Die Züge fuhren noch so langsam, dass man einander bei der Vorbeifahrt gut sehen konnte, da sie von Dampflokomotiven gezogen wurden, die dann erst in Höhe von Achim ihre Reisegeschwindigkeit erreichten, wenn sie da nicht schon das erste Mal wieder abbremsten, um auf der Strecke erste Station zu machen.


Das Buch, das ich heute empfehle, richtet sich an Kinder ab 8 Jahre, wirklich besser nicht früher, denn es ist ein hartes, nichts beschönigendes Buch (wie auch, es geht um den Krieg), und gerade bei der ersten Lektüre sollte das Album in Gegenwart von älteren Geschwistern oder Erwachsenen angesehen und gelesen werden.


Blutrot in allen Nuancen


Es ist auf seinen 45 Seiten durchgängig illustriert, die Bilder arbeiten mit dem Effekt fast von visuellen Gebrauchsanleitungen, wie sie heute allen Geräten und sonstigen Konsumgütern beiliegen, in schwarz-weiß, verschiedenen Grautönen gezeichnet und getextet, aber auch in allen Rottönen, die Blut in all seinen verschiedenen Aggregatszuständen haben kann: frisch, geronnen, verkrustet. Das passt, denn das Buch handelt davon, dass Kriege Tote und Verwundete bedingen. Es geht aber auch weiter, allem auf den Grund: warum denn Kriege, seit wann Kriege, welche Entschuldigungen oder Ausreden dafür gibt, Kriege anzuzetteln, welchen Schaden sie anrichten, materiell wie körperlich, sozial und psychisch.


Es vermittelt ebenso, wie aus kleinen Aggressionen, wie wir sie alle kennen, eben auch als Kinder, immer größer werdende Konflikte entstehen, ja, die dann in so manchem Fall in körperlicher Gewalt münden und eben auch in kriegerischen Auseinandersetzungen enden können.


Lösungen?

Ja, es gibt sie. Eduardo Altarriba, der Autor und Illustrator dieses Kindersachbuchs lässt seine Leser und Leserinnen mit all diesen Schreckensbildern nicht allein. so zeigt er eben auch auf, dass auch jeder (?) Konflikt friedliche Lösungen in sich birgt, hält aber auch in keiner Zeile mit der Kenntnis und den Informationen darüber zurück, wessen Interessen es sind und über deren Macht, kriegerische Konflikte gar nicht aufhalten, im Gegenteil sie anheizen zu wollen. Dabei greift Altarriba nie in ideologische oder stereotype Töpfe. Er beschreibt das alles mit kurzen, sehr klaren Worten und begleitet diese mit ebenso unmissverständlichen Bildern.


So umfasst der Rückblick in die Historie des Krieges als solcher zwar nur eine einzige Doppelseite geschildert, das reicht aber aus. Wie er wohl in der Steinzeit seine Anfänge genommen haben mag (der Autor verschont seine Leser erfreulicherweise mit der Story von Kain und Abel) und kommt über die Eroberungskriege der Römer, die Kreuzzüge, in die Zeit der Bauernkriege bis hin in die Neuzeit. Und er stellt Fragen wie: Gibt es gerechte Kriege? Was ist mit den Revolutionen, Guerrillas, Bürgerkriegen, Staatsstreichen, dem Terrorismus?


Nichts wird ausgelassen


Natürlich fehlen die Weltkriege nicht, der Kalte Krieg findet Erwähnung, die wirtschaftlichen Interessen der Rüstungsindustrie kommen zur Sprache, wer sind die heutigen Militärmächte in der Welt, was hat die Globalisierung mit all dem zu tun? Wie endet denn ein Krieg, was sind seine Folgen und gelangt am Ende an jenen Krieg, der nun schon seit 2011 in Syrien tobt und so unermessliche Folgen für die Bewohner des Landes (immer wieder rückt er auch die Schicksale der Kinder in den Vordergrund) und seine globalen Auswirkungen.


Das Buch hat einen extrem hohen erzieherischen Wert, lässt alles Unterhaltsame angebrachterweise beiseite, so scheint es mir auch vortrefflich geeignet zu sein, dass es in den Schulunterricht integriert werden könnte (und sollte!). Insofern liegt sein Veröffentlichungsdatum jetzt in diesen Tagen genau richtig, wo überall im Lande die Ferien enden und der Krieg, der grausige, nach wie vor mit seinen unerbittlichen Bildern und Nachrichten zu jeder Tageszeit im Fernsehen und allen sonstigen Medien, die wir, aber vor allem die Kinder, vor Augen geliefert bekommen.


Fast läuft es einem kalt über den Rücken


Fast läuft es einem kalt über den Rücken, wenn man beim Lesen an das Ende des Buches gelangt, denn kaum aktueller und damit erschütternder kann auch ein Kinderbuch nicht sein: dort kommt der Autor für die deutsche Ausgabe sogar „schon“ auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen, auf eine einfallsreiche verlegerische Art: es gab keinen Platz mehr auf den vorhandenen Seiten des Buchblocks, also musste das Endpaper dafür her.


So erfahren die Kinder und wir, was da passiert, das wir außerhalb von Russland und Putins Regime so nennen dürfen, was es ist, nämlich ein KRIEG, ein gegen das Völkerrecht verstoßender Angriffskrieg. Dazu in solch beängstigender Nähe, nur 1.700 Kilometer von uns in Bremen entfernt mit keinem Meter weiter als Barcelona, das gefühlsmäßig fast jede/r schon einmal besucht hat, der/die dieses Buch und diese Rezension liest, und wo Eduard Altarriba lebt und dieses so begrüßenswerte und notwendige Buch geschrieben und illustriert hat.

UNBEDINGT EMPFEHLENSWERT!

BITTE VERLEIHT IHM 1, 2, 3, ALLE KINDERBUCHPREISE DER WELT!

 
 
 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info.


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