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  • AutorenbildGuenter G. Rodewald

Eine weitere Denkwürdigkeit……

… eröffnete die Präsentation eines Buches neulich in der Bremer Buchhandlung Humboldt, dessen Titel bereits »Bremer Denkwürdigkeiten – Ein illustriertes Stadtbuch« hieß. Denn eigentlich war alles parat: ein interessiertes, neugierig erscheinendes Publikum wartete gespannt auf den Auftakt des Abend, Getränke und Salzgebäck wurden gereicht, auf dem Ladentresen war ein einzelner Dummy des literarischen Protagonisten des Abends ausgestellt, eingerahmt von weiteren Werken des Autors. Und anwesend waren Anke Köster, die Buchhändlerin, Manuel Dotzauer, der Verleger des Kellner Verlags, und selbstredend einer der emsigsten und belesensten Bremensien-Autoren, Johann-Günther König, als Hauptperson des Abends. Nur das Buch fehlte!


Nun, so musste der Verleger sich erst einmal entschuldigen für das betrübliche Manko, dass keine Exemplare der Novität im Laden zu finden waren, als jener in der Dekoration des Tresens aufgestellte Dummy und die losen Druckfahnen in Händen des Autors. So konnten zwei der zentralen Interessen einer solchen Veranstaltung nicht erfüllt werden: der Verkauf/Kauf des vorgestellten Objekts und dessen Signierung mit oder ohne einer persönlichen Widmung des Autors. Die Schuld an diesem Fauxpas traf aber keinen der anwesenden Verantwortlichen, sondern den Auslieferer der Novität, der die Sendung mit den Exemplaren irgendwo anders abgeliefert hatte, nur eben nicht am Ostertorsteinweg nº 76, dem Sitz der Buchhandlung, dem Ort der Präsentation.


Nun, mittlerweile traf längst ein fertiges, druckfrisches Exemplar bei mir zu Hause ein, in den Druckfahnen konnte ich auch schon herumstöbern. Außerdem waren wir schon in der Buchhandlung in den Genuss der immer wieder erfreulich lebendigen, kurzweiligen Präsentation durch den Autors des Buches und seiner Lesung diverser Passagen gekommen, die Lust machten auf mehr.


Die Bremer Speckflagge


Das Cover fällt in der traditionsreichen Zweifarbigkeit der Bremer Speckflagge (RGB 221,0,0 und 255,255,255) mit dem historischen Panorama der Schlachte ins Auge, im Hintergrund die St. Ansgarikirche und ihrem damals mit 97 Metern höchsten Turm der Stadt, knappe sechs Meter höher als die beiden Türme des St. Petri Doms.


Das Buch kommt ohne Vorwort aus, zählt insgesamt 31 Kapitel plus einer recht großzügigen, nicht übertrieben umfangreichen Bibliographie. Gesetzt ist es in der augen- und lesefreundlichen Adobe Hebrew, nur die schwarz-weißen Fotografien verlieren auf dem Druckpapier leiden etwas an fehlender Tiefe und schwachem Kontrast und hätten auf manchen Seiten auch ein wenig größeres Format verdient.


König stieg an dem Abend der Buchvorstellung gleich mit dem ersten Kapitel Wenn jemand eine Reise tut in seinen Vortrag ein und übergab dann ein erneutes Mal seinem Kollegen Joachim Ringelnatz das Wort mit dessen Gedicht aus den 1920er Jahren, geschrieben nach oder auf einer Reise nach Bremen, das mit den Zeilen beginnt:

»Hier gelt ich nix, und würde gern was gelten,

denn diese Stadt ist echt, und echt ist selten.«


Dessen zweite Zeile bildete auch schon den Titel Königs im vergangenen Jahr im Göttinger Wallstein Verlag erschienenen Buches, das den Untertitel Bremen und Bremerhaven in der Literatur trägt und das die Stadt Bremen massiv bei der Bewerbung um den Titel UNESCO – City of Literature assistiert und unterstützt hatte, der Bremen im Oktober 23 verliehen wurde. Bremen wird damit erst als zweite deutsche Stadt nach Heidelberg geehrt, die ihrerseits den Preis neun Jahre vorher gewann.


Unterlassungen


Dieses Buch wäre kein Johann-Günther-König-Buch, würde er es nicht zum Anlass nehmen, um die Sprache auf die Unterlassungen Bremer Kulturpolitik zu bringen: so stimmt er bereits im zweiten Kapitel »Wo eins fein auf hören muss« (sic! Ist Bremer Jargon) ein Thema an, bei dem er schon seit Längeren nicht locker lässt. Denn es gibt in der Geschichte der seit 1901 verliehenen Friedennobelpreise insgesamt bislang nur sechs in Deutschland geborene Geehrte: Gustav Stresemann (1926), Ludwig Quidde (1927), Carl von Ossietzky (1935), Albert Schweitzer (1952), Willy Brandt (1971) und Henry Kissinger (1973). Nun, und jener Ludwig Quidde (1858-1941) ist dazu bislang der einzige Bremer Träger dieses Preises, den er gemeinsam mit dem französischen Pazifisten Ferdinand Buisson (1841-1932) verliehen bekam.


Quidde wuchs in einer Bremer Kaufmannsfamilie in der Herdentors-Vorstadt auf, in der Georgstraße 49 (heute: Bürgermeister-Smidt-Straße). Er war Historiker, Privatgelehrter und eben auch Pazifist. Er musste nach der Machtergreifung durch die Nazis 1933 »nach Genf flüchten, wo er bis zu seinem Tod 1941 im Exil lebte. Ein Jahr zuvor war ihm seine deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden, weil er die Nazis treffend als ‚eine Bande von Verbrechern, Mördern, Räubern, Brandstiftern und … bestialischen Folterknechten, dazu Lügnern und Heuchlern‘ bezeichnet hatte«, wie König schreibt.


Und weiter wettert König, genauso treffend wie einst Quidde selbst: »Bislang benannte die Hansestadt Bremen nur eine Straße nach Ludwig Quidde. Ein Denkmal oder eine herausragende Institution, die den nach Gustav Stresemann zweiten deutschen Friedensnobel-Preisträger in Ehren hält – Fehlanzeige.«

 

Dazu ist die Straße, die Quiddes Namen trägt, eine eher konturlose, nüchterne, triste 300 Meter lange Verbindungsachse zwischen der Hastedter Heerstraße und der Stresemannstraße, gesäumt von schmucklosen Wohnblocks und fantasielosen von Autohändlern genutzten Gebäuden. Wohl kaum eine deutsche Großstadt würde sich eine solche Vernachlässigung leisten. Aber seien wir fair: immerhin stehen dort zwei Haltestellenschilder der BSAG, die den Namen von Ludwig Quidde am Leben erhalten.

 

Einschub: In den Schriften des Bundesarchivs ist als Band 67 eine umfangreiche Biographie über Ludwig Quidde erschienen, geschrieben hat sie der Historiker Karl Holl (1931-2017), von 1971-1996 Professor an der Universität Bremen: Ludwig Quidde (1858-1941). Eine Biografie. (Droste Verlag, Düsseldorf 2007). Leider ist sie vergriffen.

Mit der Unterstützung durch den Bremer Senat sollte eine neue, aktuell überarbeitete Ausgabe dieses verdienten Werkes und in Ehrung des einzigen Bremer Friedensnobelpreisträgers in einem Bremer Verlag doch eigentlich möglich sein (Schünemann, Donat, Kellner, Sujet?).

 

Versöhnlich


Aber insgesamt bleibt König versöhnlich, und schimpft womöglich nicht das ganze Buch hindurch, dazu ist er viel zu sehr in seine Heimatstadt verschossen, und in der Tat weiß er so unendlich viel, dass dieses 132 Seiten dicke oder dünne, wie man es sehen will, selbst für Kenner der Stadt garantiert Neues, noch nicht Gewusstes ans Tageslicht bringt. Und das nicht nur über die Stadt Bremen selbst, sondern auch über deren nördliche Filiale in Gestalt der Großstadt Bremerhaven. So eignet sich dieser Almanach bestens, um die Geschichte der Stadt, ihre Kultur, ihre offenen und verborgenen Geheimnisse, die Sagen und Märchen, die sie bevölkern, kennenzulernen.


Fazit: Ein gleichermaßen für Butenbremer/innen, Binnenbremer/innen, Tagenbaren und Besucher/innen geschriebenes Porträt der Stadt und des Landes Bremen. Und angenehm zu lesendes obendrein.

 

Und hier zum gefálligen Download:

 

Anmerkung I:


Alle, die schon einmal die eine oder andere Präsentation einer Buch-Novität durch seinen Autor oder seine Autorin erlebt hat, weiß das eine oder andere Beispiel zu nennen, das von einer eher langweiligen oder eben dem Gegenteil, einer kurzweiligen Vorstellung berichten kann. König ist einer jener Autoren, dem es gelingt, mit viel Witz, im präsenten Fall der Bremer Denkwürdigkeiten obendrein mit Ironie, nahezu professioneller sprecherischer Sicherheit seine Publikationen vorzustellen und aus ihnen anregend vorzulesen. So wünscht man sich von diesem Buch (und sicher auch manchem seiner weiteren Titel) eine Version eines Hörbuchs, eben gelesen vom Autor himself. Technisch heute doch - im Zeitalter der Abermillioen von Podcasts - kein Problem. Einziger Verlust: man müsste ohne die vielen, zum Teil eher nicht sehr bis mir gänzlich unbekannten Illustrationen auskommen, die die Druckversion aufweist. Aber sicher würde niemand daran gehindert werden, beide Ausgaben - als gebundenes Buch wie als Audio-Ausgabe - zu erwerben.


Anmerkung II:


Unverständlich, dass der Kellner Verlag auf seiner Homepage keine Informationen, bio-/bibliografische zu seinen Autoren zur Verfügung stellt, oder sonstige Daten wie beispielsweise Links zu deren Websites. Ein bedauerliches Defizit.


 

Weblinks:

 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info

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