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AutorenbildGuenter G. Rodewald

Gerade einmal 1 Jahr und 1 Tag waren…


… seit dem 4 August 2022 vergangen, seitdem ein Brief von mir an den Vegesacker Beirat* mit einer Petition geschickt wurde und dem Tag, nämlich dem 5. August 2023, an dem aus der Eingabe Realität wurde. In diesem Antrag hatte ich den Vorschlag gemacht, einem verdienten Bürger dieser Stadt und dieses Stadtteils, dem kurz zuvor am 4. Mai 2022 verstorbenen Bremer Cartoonisten und Illustrator Volker Ernsting, mit der Benennung eines Platzes dieser Gemeinde eine Ehrung zuteilwerden zu lassen.


Diesem Vorschlag wurde in einer der folgenden Sitzungen vom Beirat einstimmig zugestimmt, und er wurde dann an die am Ende für eine Zustimmung und daraus folgende eventuelle Umsetzung zuständigen Stellen des Bremer Senats (i.e. die „Zentralregierung“ dieser Stadt und dieses Bundeslandes) weitergeleitet. Natürlich fand dieser Vorschlag auch dort seine einhellige Zustimmung. Manche formale Bestimmungen wurden unbürokratisch beiseitegelassen, damit die offizielle Taufe des Platzes pünktlich zum alljährlichen drei Tage langen traditionellen Sommerfest in Vegesack, dem Festival Maritim, zelebriert werden könnte.

Außer dass Ernsting ein bundesweit bekannter und populärer Karikaturist mit seinen Zeichnungen in der ‚pardon‘, der ‚Titanic‘, der ‚Hör zu‘, im Bremer ‚Weser-Kurier‘, bei ‚Radio Bremen‘ und mit seinen über 30 Buchveröffentlichungen (u.a. mit den umgestülpten Bremer Stadtmusikanten), hat er für das öffentliche Image seiner Heimatstadt Unersetzbares geschaffen, allen voran mit der Familie Sengstaake und seinen Möwen. Davon hatte die Hansestadt, besonders in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, fundamental profitiert. Mit dieser humoristischen Spielart einer Stadt für ihre wirtschaftlichen und touristischen Interessen hatte man etwas ganz Neues geschaffen. So hätte Volker Ernsting schon deshalb die Ehrenbürgerschaft Bremens zugestanden. Leider kann diese nicht posthum verliehen werden, wenn diese Kondition wohl theoretisch durch einen außerordentlichen Senatsbeschluss wie in diesem Fall aufgehoben werden könnte. Das wäre doch eine großzügige Geste.

Ausgewählt und vorgeschlagen war durch den Beirat am Ende ein bis dato nach seiner Umgestaltung noch unbenannt gebliebenener Platz am nördlichen Kai des Museumshavens Vegesack (sic!), auf dem der sogenannte und auch so geschriebene Havenwald angepflanzt worden war. Das passte schon deswegen gut, weil auf ihm die kürzlich ebenfalls dort eingeweihte Bronzestatue von Thomas Recker der Figur des Vegesacker Jungen platziert worden war und um den immer viele unüberhörbar die Tiere herumfliegen, die sich auch auf vielen der Illustrationen von Volker Ernsting herumtreiben. Gewissermaßen sind sie sie sein Markenzeichen: die Möwen. Jene Geschöpfe also, die laut Christian Morgenstern (1871 - 1914) alle so aussähen, als dass sie Emma hießen (auch so in Bremen!)…


Nun sollte also die Platztaufe am Samstag, dem 5.8.2023 vonstattengehen, und zwar auf der von den insgesamt neun Bühnen und Podien des Festivals, die auf dem Areal stand, die danach eben Volker-Ernsting-Platz heißen sollte. All das sollte unter der Regie vom Vegesacker Dorfbürgermeister Heiko Dornstedt und Martin Ernsting, einem der zwei Söhne des Künstlers, stattfinden, ausserdem mit Jörn Gieschen, dem Geschäftsführer des Marketing Vegesack e.V.**, als Maskottchen wurde der Akt begleitet durch Emil Thiekötter, einem der für dieses Jahr gewählten Vegesacker Jungen***.

Pünktlich zur vorgesehenen Uhrzeit beendete die zuvor auf der Bühne aufgetretene Gruppe der Foggy Crew ihr Konzert, die Staffagen für die Taufe waren aufgestellt, das Personal bereit, aber dann – genau in diesem Moment – begann es zu regnen, nein, zu schütten, das zu beschreiben den Berichterstatter der ortsansässigen Zeitung DIE NORDDEUTSCHE zu folgender Schilderung hinriss: „…als würde sich über den Köpfen des Publikums eine Luke öffnen – wie aus Eimern goss der Regen auf die Besucher.“


Das trieb das flüchtende Publikum zunächst unter die sechzehn im Quadrat gepflanzten Winterlinden des Platzes und die Luken der Verkaufsstände, aber als die Regenmassen immer mehr zunahmen, nahmen nach und nach alle Reißaus. Ich selbst allerdings blieb auf meinem Rollator unverrückbar vor der Bühne sitzen, wollte ich mir doch „meine“ Taufe in ihrem vollen Ablauf nicht entgehen lassen. Ich wurde aber dergestalt belohnt, indem sowohl Heiko Dornstedt wie Martin Ernsting oben von der Bühne hinunter mir - bereits bis auf die Haut durchnässt auf meinem Rollator - namentlich für meine Initiative dankten.


Einmal die Prozedur abgeschlossen, ergriff auch ich die Flucht Richtung irgendwelcher Hauseingänge in der Nähe, um nicht ganz von den weiter hinunterprasselnden Wassermengen hinweggeschwemmt zu werden. Nachdem mir das trotz meiner eingeschränkten Lauffähigkeiten gelungen war, bedurfte es noch weiterer längerer Zeit, bis sich ein Taxifahrer meiner erbarmte, anhielt und mich in seinen Wagen zur Heimfahrt aufnahm.


In dem schon erwähnten Bericht in DIE NORDDEUTSCHE schrieb der Reporter dann später: »Das Wetter trug passenderweise tatsächlich die Handschrift Ernstings, wie sein Sohn Martin Ernsting mit einem lachenden Ton in seiner Stimme später im Trockenen verriet. Eine Spur Ironie und Sarkasmus, cleverer Humor und kein Gefallen an großem Tamtam um seine Person. ‚Er hat immer zeit seines Lebens jegliche Form der Ehrungen abgelehnt. Wahrscheinlich hätte er gesagt: ‚Genau deswegen will ich das nicht, es regnet jetzt. Hätten wir auch zu Hause bleiben können‘, so Martin Ernsting«.


Das tröstet mich vollkommen bezüglich der uns an dem Abend begleitenden Wetterumstände, obschon es natürlich sehr viel passender gewesen wäre, wenn sich die Sonne genauso großzügig gezeigt hätte wie in diesem Moment, in dem ich aktuell meinen Bericht von dem Abend schreibe.


¡VIVA VOLKER ERNSTING! ES LEBE VOLKER ERNSTING!


Die Taufe des Volker-Ernsting-Platzes als Video: Link

 

* Beiräte werden hier in der Freien Hansestadt die Stadtteilparlamente genannt.


** Beim Marketing Vegesack e.V. handelt es sich um einen eingetragenen Verein, der es sich zum Ziel gesetzt, Wirtschaft und Lebensqualität in Vegesack zu stärken. Er versteht sich als Dienstleister für den Standort und engagiert sich branchenübergreifend für ein gelungenes Citymanagement und maritimen Tourismus. Maritim Vegesack e.V. ist ebenso verantwortlich für die Organisation und Durchführung des Festival Maritim, zusammen mit dem Freundeskreis Internationales Festival Maritim e.V..


Im kommenden Jahr wird das Festival Maritim dann zum 24. Mal stattfinden, und zwar vom bis 2. bis 4. August 2024.


*** Der Vegesacker Junge ist die Symbolfigur für den Ort Vegesack. Er stellt einen Matrosen dar, der kein Geld mehr hat, weil er alles in den Hafenkneipen Vegesacks ausgegeben hat. Ein Erklärungsansatz des Namens Vegesack geht auf diese Tatsache zurück: Wenn man sein Geld in den Kneipen ausgibt, ist der Sack (die Geldbörse) leer gefegt: Fege-Sack.


Der Ursprung soll auf Werner Wittgenstein zurückgehen, der von 1915 bis 1933 Stadtdirektor bzw. Bürgermeister der damals selbständigen bremischen Stadt Vegesack war. Wittgenstein hatte die Idee des Vegesacker Jungen als eines ironischen Sinnbilds für den Ortsnamen der Stadt.


Zum 400. Geburtstag des Vegesacker Hafens wurde vom Bildhauer Thomas Recker eine Bronze-Skulptur des Vegesacker Jungen erstellt. Diese wurde am 18. Juni 2022 im Vegesacker Havenwald, heute Volker-Ernsting-Platz, feierlich enthüllt.


Seit 1956 repräsentieren junge Männer als Vegesacker Junge den Stadtteil bei offiziellen Anlässen. Dazu gehören der Vegesacker Neujahrsempfang, der Herbstmarkt, die Eröffnung der Matjes-Saison und das Festival Maritim. Zu Beginn wurde die Rolle von einem jungen Mann übernommen, ab 1991 war die Position mit zwei Vertretern besetzt, und seit 2021 sind es drei. Der Förderkreis Vegesacker Junge wählt alle vier Jahre junge Männer zwischen 18 und 28 Jahren, die das Maskottchen zu Marketingzwecken verkörpern. Kritik gab es, dass es keine Vegesacker Deern gibt (siehe hier).

(Quelle: Wikipedia)

 

Weblinks:

 

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