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  • AutorenbildGuenter G. Rodewald

Glück auf zwei Rädern

Aktualisiert: 23. Jan. 2021


Meine Freude darüber, dass jetzt endlich das Buch meines argentinischen Freundes Juan Carlos Kreimer auch auf Deutsch erscheint, ist sehr groß. Als ich noch als sein Agent in Barcelona tätig war, schien es uns eigentlich unmöglich, dass sein Buch in Deutschland, einem der Länder mit den meisten Fahrrädern, den meisten Radfahrern und Radfahrerinnen der Welt nicht auch auf Deutsch gelesen werden könnte. Aber leider war uns kein Erfolg beschieden. Umso glücklicher war ich – und natürlich der Autor selbst - dass BICI ZEN – Ciclismo urbano como meditación am Ende - nach meinem Rückzug aus dem aktiven Agentenbusiness - von der neuen Agentin des Autors, Montse Cortazar, einen Verlag finden konnte. Das Buch ist jetzt unter dem Titel ZEN IN DER KUNST FAHRRADFAHRENS im AMRA Verlag erschienen. Sein Untertitel macht Lust, das Buch zu lesen: Glück auf zwei Rädern für Stadt und Land.


Da ich mich als enger Freund des Autors und als sein ehemaliger jahrelanger Agent in gewisser Weise befangen fühle, möchte ich in diesem Fall von einer eigenen Rezension des Buches absehen. Statt dessen möchte ich der Journalistin Raquel Quelart das Wort überlassen, indem ich ihr Gespräch übersetze, das sie im Frühjahr 2016 mit dem Autor in der spanischen Tageszeitung La Vanguardia führte, aus Anlass der Veröffentlichung der spanischen Ausgabe durch Editorial Kairós.

 

Trendsetter Juan Carlos Kreimer untersucht die Vorteile des Meditierens durch urbanes Radfahren


Juan Carlos Kreimer mit einem seiner drei Fahrräder

Der Trendforscher Juan Carlos Kreimer hat die physischen und psychischen Prozesse untersucht, die das Radfahren im menschlichen Gehirn hervorruft. Nach drei Jahrzehnten des Nachdenkens und Experimentierens ist er zu überraschenden Schlussfolgerungen über das gelangt, was er "die Kunst des Radfahrens" nennt. "Wenn wir Fahrrad fahren, werden wir weniger gewalttätig, partizipativer und sogar unterstützend", sagt der argentinische Verleger und Journalist, der gerade sein neuestes Buch Bici Zen vorgestellt hat - sein Untertitel: Fahrradfahren in der Stadt als Meditation. Es ist eine leidenschaftliche Liebeserklärung an diese Gewohnheit, die in vielen Städten der Welt auf dem Vormarsch ist.


Aber was haben Radfahren und Zen gemeinsam? "Wenn man mit dem Radfahren beginnt", sagt Kreimer, "treten in deinem Geist Phänomene auf, die der Meditation sehr ähnlich sind und dich zum Zen führen.“


Dieses neue Werk des Autors hat wenig mit dem ersten Werk zu tun, das ihn als Spezialisten für aufkommende soziale Trends auswies, Punk: Young Death (1978) hieß es und war ein erfolgreicher Essay, der die Geschichte dieser ebenso populären wie schnelllebigen Bewegung erzählte.


"Radfahren in der Stadt hat sich von einer Modeerscheinung zu einer Kultur entwickelt"


"Früher war Radfahren etwas für arme Leute", sagt Kreimer und erinnert sich an seine Jugendzeit, als Radfahren gleichbedeutend damit war, kein Auto oder ein Motorrad zu besitzen. Seit er im Alter von fünf Jahren zum ersten Mal das Gefühl von Freiheit und Vitalität beim Radfahren erlebt hat, ist das Fahrrad für ihn inzwischen zu einem Kultobjekt geworden, von dem er sich nie wieder getrennt hat. Und in der Tat kommt es ihm vor, als sei das Fahrrad inzwischen Teil seines Körpers.

Viel mehr als ein reines Transportmittel


Im Gegenteil, heutzutage "ist Radfahren eine Wahl, keine Notwendigkeit", sagt der Autor. Und in einigen Fällen ist es zum bevorzugten Verkehrsmittel für eine wachsende Zahl von Bürgern geworden, die es sich leisten können, im Rhythmus des Tretens von zu Hause zur Arbeit und umgekehrt zu fahren. "Das Radfahren in der Stadt hat sich von einer Modeerscheinung zu einer Kultur entwickelt", sagt Kreimer.

Aus diesem und anderen Gründen, wie z.B. der Verringerung der durch Autoabgase verursachten Luftverschmutzung, passen immer mehr Städte ihre Stadtplanung durch die Schaffung von Radwegen an, und einige Städte legen sogar spezielle Vorschriften für Radfahrer fest. In diesem Sinne unterstreicht der Autor des Bici Zen die Wichtigkeit, dass Radfahrer die Verkehrsregeln jederzeit einhalten müssen, genau wie andere Fahrzeuge in der Stadt.


Juan Carlos Kreimer radelt durch die Straßen von Buenos Aires

Dies hindere den Radfahrer jedoch nicht daran, einen Zustand geistiger Leere zu erreichen, der dem der Meditation nahekommt, aber er warnt: "Es geht nicht darum, die Beine über die Gänge zu kreuzen und die Augen zu schließen", und er fährt fort: "Der Radfahrer ist in jedem Augenblick präsent, was ihn mit einer größeren Dimension verbindet: Er denkt nicht an die Zukunft oder die Vergangenheit.“ Eine mentale Phase, die mit dem kompatibel ist, was er "den Zustand der Wachsamkeit" nennt, eine schwebende Spannung, die den Menschen veranlasst, eine "periphere Sicht" zu entwickeln, die es ihm erlaubt, jede Veränderung um sich herum zu erkennen.


Stress abbauen


"Die Sensibilität, die in der Meditation geweckt wird, wird auch durch das Radfahren angeregt, manchmal sogar noch mehr, weil die Handlung dynamisch ist: die Tatsache, dass man in die Pedale tritt, die Landschaft durchquert, sich bewegt, so an einen Ort gelangt und bemerkt, dass man sich anders fühlt, mit einer veränderten Energie", beschreibt Kreimer. "Manchmal glaube ich, dass wir uns des Teils der rechten Hemisphäre bewusstwerden, der nicht vom Gehirn dominiert wird", fügt er hinzu.

Der Anstieg des städtischen Fahrradverkehrs hängt mit dem Wunsch zusammen, mit weniger Stress zu leben, so der in Buenos Aires lebende argentinische Autor, und so wird deutlich, dass Zen wieder zu einem strukturellen Bestandteil des Denkens der Menschen wird. "Es gibt mehr Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, glücklich zu sein, dass Glück nicht etwas ist, das kommen wird, wie der Ruhestand, sondern dass man es in allem entdecken muss", sagt er.


Kreimer entdeckte die Bedeutung der Meditation, als ihm das Buch Zen in der Kunst des Bogenschießens von Eugen Herrigel in die Hände fiel, der nach Japan gereist war, um die Lehren dieser buddhistischen Schule zu erlernen. Von seinem Lehrer gewarnt, lernte der deutsche Philosoph, dass Zen nicht studiert, sondern praktiziert wird: "Zen ist alles in jedem Augenblick", so Kreimer abschließend.

Die Technik des Meditierens beim Treten


Aber wie erreicht man diesen Geisteszustand, wenn man Fahrrad fährt? "Indem man es nicht absichtlich sucht, sondern indem man es sich auftauchen lässt und lernt, es zu erkennen, wie es beim Glück geschieht", antwortet der Autor von Bici Zen. Kreimer enthüllt die Technik, mit der er "Radfahren" meditiert: Er kombiniert das Treten der Pedale mit langen, bewussten Atemzügen. "Wenn der Atem auf die Energie des Körpers trifft, die aus der Bewegung der Beine aufsteigt, entsteht im gesamten zentralen Teil ein Wohlgefühl, das zu den größten Freuden des Radfahrens gehört", erklärt der Experte für die Kunst des 'Radfahrens'.


Neben der tiefen Atmung gibt der Autor weitere Empfehlungen, wie z.B. die Beibehaltung eines rhythmischen Pedalierens, die maximale Entspannung der Gesichtsmuskeln, des Nackens und der Schultern. Er schlägt auch folgende Übung vor: "Betreten Sie einen Park und versuchen Sie zuerst, alle möglichen Grünfarben zu sehen, dann hören Sie alle Geräusche, die sich überlagern, dann riechen Sie und schließlich geben Sie sich hin, um aus diesem Raum der Fülle, der sich in Ihrem Körper und Geist geöffnet hat, herauszugehen", schließt er.

Anti-Zen Verhalten


Der Autor und Herausgeber listet auch die Fehler auf, die städtische Radfahrer manchmal machen: Sie wollen mit Autogeschwindigkeit fahren, vergessen, dass Fußgänger schutzloser sind als Radfahrer, denken, dass sie die einzigen auf der Straße sind, denken, dass sie die einzigen auf der Straße sind, bedenken, dass sie bestimmte geringfügige Verstöße begehen, wie z.B. rote Ampeln überfahren, in die entgegengesetzte Richtung fahren oder Kopfhörer benutzen, um Musik zu hören. Und natürlich, so Kreimer, der meint, dass Fahrradfahren etwas "ausschließlich Körperliches" sei.


"In Barcelona sind die Radfahrer sehr verantwortungsbewusst: an jeder Ampel halten sie an und lassen Fußgänger passieren, viele von ihnen tragen Helme; ich habe Ordnung und Ruhe gesehen", sagt der Autor, der bei seinem Besuch in Barcelona ein Fahrrad gemietet hat, um mitten im Kiez des Eixample Meditation zu praktizieren. Kreimer glaubt, dass es in den letzten Jahren "eine schöne Revolution" um das Phänomen des städtischen Fahrrads gegeben hat, dank der Sensibilisierungs-kampagnen, die die Taxi-, Auto- und Busfahrer in Städten wie Buenos Aires respektvoller gegenüber Radfahrern gemacht haben. "Die richtige Handlung erzeugt die richtige Handlung", sagt er mit Überzeugung, obwohl er einräumt, dass "es immer betrunkenene übernächtigte Autofahrer geben wird, die einen Radfahrer überfahren".

Das Carrousell, die Umsetzung von Leonardo Da Vincis angeblicher Skizze im "Codex Atlanticus"

Künstlerisches Pedalieren


Der Autor reflektiert in dem Buch auch über den künstlerischen Teil des "Radfahrens", der nach seinen Worten mit "der Reinigung der Technik bis zum Erreichen der fast einheitlichen Verbindung mit dem Objekt und der Handlung" erreicht wird. In diesem Zusammenhang versichert Kreimer, dass eine mechanische Einstellung "genauso wichtig ist wie die Beseitigung einer lästigen Wolke aus Ihrem Kopf". Eine Sensation, die vielleicht der vielseitige Künstler Leonardo Da Vinci erlebte, bis er 1490 den Prototyp eines maßgefertigten Fahrrads entwarf: Das Carrousell, ein dem heutigen Modell ähnliches Modell, das zum ersten Mal ein direkt mit dem Lenker verbundenes Lenksystem, eine Pedaleinheit an der Basis des Rahmens und ein Kettengetriebe enthielt. Obwohl dieses Kapitel der Geschichte des Fahrrads Kontroversen auslöst - es gibt Theorien, die behaupten, dass es sich um eine Erfindung handelt, die fälschlicherweise Da Vinci zugeschrieben wird -, rezensiert Kreimer in dem Buch auch dieses Kapitel, zusammen mit anderen revolutionären Momenten in der Geschichte des Fahrrads.

Jenseits des Zen wird das Fahrrad oft als Ikone der Freiheit und der Jugend benutzt. Werbetreibende und Semantik-Experten wissen das sehr gut. "Das Fahrrad ist freundlich", sagt Kreimer, der seine besondere Beziehung zu seinen drei Fahrrädern nicht verheimlicht: "Ich mag es, wenn sie aufgereiht, geschmiert und die Reifen mit viel Druck aufgepumpt sind." Aber warum eine solche Sorgfalt? "Vollkommen sentimental, ich liebe es einfach! Wenn ich sie säubere und repariere, habe ich das Gefühl, eine Arbeit an mir selbst zu tun.“

Das Interview

in der originalen

Version

auf

Spanisch:

 

Den Untertitel der deutschen Ausgabe würde ich für mich gerne um ein kleines Detail modifizieren und es stattdessen Glück auf DREI Rädern für Stadt und Land untertiteln. Denn seitdem ich selbst auf ein dreirädriges Gefährt angewiesen bin, bin ich auch damit bisweilen ausgesprochen ZEN-affin auf dem Weg durch meine Stadt und die mich umgebende norddeutsche Landschaft.


Nachdem ich das Buch schon auf Spanisch kenne, hat es mir jetzt noch einmal mindestens genau so viel Spaß gemacht, es in meiner Muttersprache gelesen zu haben, zumal es sich in der Übersetzung von Sarah Heidelberger sehr leicht und flüssig liest. Es ist mit diversen Illustrationen ausgestattet, was der Lektüre obendrein guttut.


Ich wünsche dem Buch und seinem Autor und meinem Freund Juan Carlos viele neue Leser in dieser deutschen Ausgabe, wie bislang schon in den spanischen, englischen, französischen, italienischen, russischen und türkischen Editionen von BICI ZEN.

Order | Dt. Ausgabe: https://bit.ly/30c6zFE

Order | Span. Ausgabe: https://bit.ly/335unN9

Order | Engl. Ausgabe: https://bit.ly/3kUYCwx

 
 

Ausgaben von BICI ZEN in anderen Sprachen:

 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info.

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