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AutorenbildGuenter G. Rodewald

Gräfliches Kochbuch – Teil III

Aktualisiert: 2. Nov. 2020


Unermüdlich und mit nicht nachlassender Energie versorgt uns die mittlerweile bald 94-jährige Sybil Gräfin Schönfeldt weiterhin mit kulinarischer Lektüre. Nach den großen Erfolgen mit dem Kochbuch für die kleine alte Frau (bereits in der 6. Auflage!) und dem Kochbuch für den großen alten Mann ist jetzt als dritter Band in dieser inzwischen zu einer Serie gewordenen Reihe das Kochbuch für meine liebste Freundin beim Verlag edition momente erschienen.


Schon in den beiden 2018 und 2019 erschienenen Bänden bleibt die Autorin ihrem verführerischen Erzählstil treu und serviert uns ihre Rezepte zwischen autobiographischen Erzählungen aus ihrem Leben. War es in dem ersten Band ihre neue Situation als nach dem Tod ihres Mannes alleinlebende Frau, die den Rahmen für die Rezepte bildet, widmete sie ihren zweiten Band Männern, die ihrerseits alleingeblieben sind und vorher nie oder so gut wie nie selbst kochen mussten.


Im nun vorliegenden Band III schreibt Sybil Gräfin Schönfeldt über ihre Beziehung zu ihrer tatsächlich lebenslang besten Freundin Marianne, die alle Janne nannten, die sich seit der gemeinsamen Schulzeit kennen und zusammen als Nachbarskinder in Göttingen aufwuchsen. Allerdings wurden sie früh voneinander getrennt, als Janne mit ihrer Familie die Stadt kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs noch verlassen konnte - ihr Vater war Jude. Sie gingen ins Exil nach London, wo Sybil sie dort bei einem Besuch zusammen mit ihrem Mann das erste Mal in den frühen sechziger Jahren wiedersah und wo Marianne mittlerweile als freie Journalistin arbeitete.

Sie lud ihre Gäste zum Essen ein, das daraus bestand, dass sie "einfach den Inhalt von zwei Dosen in einen Kochtopf schüttete, Maiskörner und Erbsen, und während das Gemüse in seinem Dosensaft vor sich hin kochte, wärmte sie eine Portion Fritten im Ofen ihres fauchenden Ofens", wie die Autorin schreib. Janne legte ganz offensichtlich keinen großen Wert auf ein etwas gepflegteres Kochen, ganz im Gegensatz zu der Autorin, die schon seit ihrer Kindheit an eine immer sehr wohlschmeckende, durchaus aber auch einfache Küche der sie aufziehenden Großtante und Großmutter gewohnt war und die sich selbst in den sechziger Jahren schon als eine hoch anerkannte und geschätzte Food-Journalistin und Buchautorin dieses Genres profiliert hatte. Einer ihrer ganz großen Erfolge war in dieser Zeit Das Kochbuch für die Frau vom dicken Mann in der mit dem typischen Rowohltschen Witz betitelten Reihe "Koche froh mit rororo".


Nun, das erste gemeinsame bescheidene Essen in der ebenso bescheidenen Wohnung der Freundin motivierte die Autorin, Janne von nun an regelmäßig mit ausgesuchten, wenn auch immer praktisch umzusetzenden Rezepten zu versorgen, in Briefen oder auf Postkarten. Einige von ihnen stammten aus dem legendären roten Kochbuch ihrer Großtante, das wir schon in Band I kennenlernen durften.


Irgendwann kehrte Janne nach Göttingen zu ihrer an Demenz erkrankten Mutter zurück. Nach deren Tod blieb sie dann alleine. Das letzte Rezept, das die Autorin, von der Freundin immer liebevoll "Bille" genannt, ihr geschickt hatte, war ein Rezept von Astrid Lindgren, das die schwedische Kinderbuchautorin der Gräfin bei einem ihrer Besuche überlassen hatte.


So endet das Buch mit einer gewissen Wehmut, denn ob Janne noch lebt, darüber schweigt die Autorin sich aus.


Als ausgesprochen wohltuend kann die Entscheidung des Verlages empfunden werden, dass der Text seine Flüssigkeit das gesamte Bändchen behält und nicht durch pompöses Bildmaterial gestört wird. Die Geschichten um die Texte herum sind illustrativ genug und die immer übersichtlich bleibende Aufzählung der Ingredienzen der Kochanleitungen reicht immer aus, um bereits Appetit zu wecken und zur Lust, so manches von ihnen nachzukochen oder zu backen. Zumal keines der Rezepte Ängste erzeugt, sie auch in der eigenen Küche auszuprobieren, wie sie so manchen hochkulinarischen Coffee-Table-Books anheften.


Nicht vergessen werden sollte an dieser Stelle der alljährlich erscheinende Literarische Küchenkalender, den Sybil Gräfin Schönfeldt als Herausgeberin seit nunmehr sechzehn Jahren verantwortet. Bei uns hängt er ganz in der Nähe des Küchenradios, und so manchen Montag beim wöchentlichen Umblättern bietet er uns ein Rezept, das die eine oder andere Autorin oder der ein oder andere Autor vorschlägt und uns als Anregung dient, was man dann mal (wieder) so kochen könnte.

So bot uns diese Woche Fritz J. Raddatz einen falschen Hasen an. Diesen Vorschlag werden wir aufnehmen und so wird er dieser Tage dran glauben müssen (der Hase, der falsche). Beilagenoptionen bieten sich jahreszeitgemäß an: ganz klassisch mit Rotkohl oder doch mit Schwarzwurzeln oder in Butter geschwenktem Rosenkohl? Wir werden sehen. So lässt uns ‚Die Gräfin‘ auch mit ihrem Kalender nie kulinarisch vereinsamt in der Küche stehen, immer versüßt mit so manchem literarischen Dessert.


Nota bene: Darf ich mich schon auf den Band IV freuen? Der müsste dann wohl folgerichtig Kochbuch für meinen liebsten Freund heißen.

 

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Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info.

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