Ein "Jahrhundertsommer" - so hieß es im vergangenen Jahr - sei uns widerfahren. Ohne Zweifel hat uns eine monatelange Hitze bei Laune oder in Atem gehalten, aber schon in vorausgegangenen Jahrzehnten gab es solch aufgeheizte Sommer, von einem kann man in dem Roman „Summer of 69“ lesen, den der Bremer, aber seit langem in München lebende Autor Jürgen Ahrens geschrieben hat, mit dem vielsagenden Untertitel „Der kleine Prinz, Neil Armstrong und ich – eine Zeitreise durch die Roaring Sixties“.
Ich war durchaus gespannt auf die Lektüre, denn der Autor war mir keineswegs unbekannt, denn ich saß zusammen mit ihm in der gleichen Schulbank der Sexta am Alten Gymnasium zu Bremen, erst ganz in der allerhintersten Reihe, dann wurden wir bald per disziplinierendem Eingriff in die allererste gesetzt, alles, weil wir beide relativ schwer zu bändigen und aber auch zu permanentem Schabernack aufgelegt waren, mit regelmässigen Einladungen zu Arreststunden am Nachmittag.
Viel half auch das alles nicht, also setzte man uns so weit wie möglich auseinander und am Ende griff der uns damals recht autokratisch verwaltende Klassenlehrer Dr. Christian K. zu einem noch drastischeren Mittel der Disziplinierung, indem er uns generell den Umgang miteinander auch in den Pausen und auf dem gesamten Schulgelände verbot, mit entsprechender Mitteilung per blauem Brief an die Eltern, deren Groll man dann zu Hause auch noch erleben durfte.
Meine Erinnerungen an die Schulzeit gestalten sich dennoch relativ entspannt, mit den Lehrern, deren Biografien als ¨Pädagogen" teilweise noch weit in die NS-Zeit ragten, wurde man durchaus fertig, andere liebte oder schätzte man aufgrund ihrer Offenheit bis Zuneigung. Aber ganz spannend wurde es dann gegen Ende der Oberstufe, als in Bremen die sogenannten "Schülerunruhen" um die Fahrpreiserhöhungen der städtischen Verkehrsmittel entbrannten und um sie herum manche Unruhen entstanden.
Es sind die Jahre der allgemeinen bis radikalen Aufbrüche, die wir alle so unbeschwert genossen, über die Ahrens in seinem autobiografisch durchsetzten Roman schreibt; von all den bunten Farben, die uns die LSD-Parties bescherten, das endlose Gelächter, in das wir ausbrachen bei dem ungestümen Genuss von Marihuana, Haschisch, das wir natürlich auch noch übergossen mit nicht geringen Mengen von Alkohol.
Manche machten ihre ersten sexuellen Erfahrungen, auch diese bedenkenlos praktiziert, ich allerdings nicht, denn ich hatte mir längst meine Homosexualität dignostiziert, es gab da einfach keine Zweifel, schon in der Schule verguckte ich mich immer wieder in den einen oder anderen Mitschüler (ich nenne auch heute noch keine Namen...), und das lag keineswegs an der eher knappen Zahl an Mädels in unserem Gymnasium.
Aber wie gesagt, wir bewegen uns in den Endsechzigern, bis zum Juni 1974 galt immer noch der Schwulenparagraph 175, der Sexualität zwischen Männern unter Strafe stellte.
Nun, von all dem ist in dem Roman keine Rede, muss ja auch nicht, denn die Unbekümmertheit, die Ahrens in diesen Jahren erleben durfte, gönne ich ihm und all den anderen, die keine Angst vor Verbotenem haben mussten. Und zwar von ganzen Herzen.
Es macht einfach viel Spass von all den Erlebnissen und Erinnerungen zu lesen, die Jürgen da hervorkramt, seine Reise im NSU Prinz durch halb Europa mit der atemberaubenden schmeichelhaften Geschwindigkeit von nicht einmal 100 km/h. Seine Liebeleien mit kessen Italienerinnen, die am Ende Vergnügen brachten. aber zu keinem Ziel führten.
Ich mache es kurz: Ein witziges, ironisches und dennoch authentisches Zeugnis der damaligen Zeiten, die so viel ruhiger als die heutigen verliefen und uns allen doch, die sie damals erlebten, so ungeheuer aufregend bis grenzenlos vorkamen.
Ich hörte davon, dass Jürgen Ahrens weiterschreibt, auch in neuen Genres, man darf gespannt darauf sein, denn erzählen kann er sehr galant und gekonnt, aber das wussten wir damals schon, als wir immer als erstes seine regelmäßige Kolumne in der Schülerzeitung "Hermes" lasen, mit dem gewitzten Titel „Samuel Goldsteins Plauder-Ecke“ .
PS: Im Weser-Kurier von 2. Juli 2018 über den Schüleraufstand in Bremen erwähnt sein Autor Hendrik Werner "Summer of 69":
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Der Autor:
Jürgen Ahrens wuchs in Bremen auf und studierte Germanistik, Musikwissenschaft und Fotodesign.
Im Anschluss arbeitete er acht Jahre als Texter in internationalen Werbeagenturen, bevor er sich 1985 selbstständig machte.
Neben seiner werblichen Tätigkeit arbeitete er auch journalistisch, unter anderem für das BMW Magazin und die Süddeutsche Zeitung, und veröffentlichte mehrere Autobücher und Romane sowie das
Sachbuch „Wie Deutsch ist das denn?!” im Münchner Heyne-Verlag.
Im Sommer 2012 veröffentlichte der Gmeiner Verlag den ersten Krimi aus der Serie mit Kommissar Kling mit dem Titel "Tegernsee-Connection". Zur Vorstellung des Buches kam der Autor nach Bremen und las aus dem Roman im Bremer Kriminaltheater · b.k.t..
Er lebt mit seiner Frau in München.
Homepage Jürgen Ahrens: https://www.juergen-ahrens.com
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