... mal wieder ein Kind zu sein. Schon allein deshalb, um ein solch grandioses, zu nimmersattem Anschauen verführendes Buch geschenkt zu bekommen wie mir heute eines in die Hände fiel. Ich gebe zu, vielleicht erwischt die Faszination, die von ihm ausgeht, mich vor allem deshalb, weil ich nicht weit von der Nordseeküste aufgewachsen bin. Und ich in meiner Kindheit manch großen „Pott“ von den Helgen der Bremer Werften, der „AG Weser“ oder dem „Vulkan“, in die Weser habe rutschen sehen, mit einem unvergesslich lauten Knall aufs Wasser des Flusses schlagend und einer beängstigend hoch aufschäumenden Welle, die drohend auf das gegenüberliegende Ufer in Lankenau, beziehungsweise in Lemwerder zuschoss, von wo man dem Schauspiel zusah.
Und ebenso habe ich, wenn man mit der Familie die knappen 70 Km der Weser von Bremen bis Bremerhaven auf einem Dampfer der Schreiber-Reederei hinunterfuhr, dort an der Columbuskaje die einem damals riesengroß erscheinende „Bremen“ oder „United States“ ablegen sehen, als sie auf die lange Reise über den Atlantik nach New York ausliefen.
Und genau auf die beiden Schiffe treffe ich unter anderen jetzt wieder in dem vom Hildesheimer Gerstenberg Verlag veröffentlichten Bilderbuch „Mit VOLLDAMPF über den ATLANTIK“ des 1946 in England geborenen, aber in den USA aufgewachsenen Autors und Illustrators David Macaulay. Allerdings ist es der Ocean Liner aus den Vereinigten Staaten, der seine Rolle als Protagonist des Buches bekommt, aus vollem Recht und das bis heute, auch wenn jene monströsen bis vulgären Schöpfungen der heutigen sie in den Mengen der Wasserverdrängung und den obszönen Passagierzahlen Kreuzfahrtschiffe um ein Vielfaches überragen. Aber in ihrer Eleganz und Schönheit war sie wohl der Gipfel, nicht umsonst wurde sie "The Queen of the Seas", "Die Königin der Meere" genannt.
Der Hintergrund des Buches ist ein realer, es war Autor selbst, der - 10 Jahre alt war - mit seiner Mutter, seinem Bruder und seiner Schwester in Southhampton eben diese 'United States' bestieg, um sich auf die 5-tägige Reise über den Atlantik zu machen, wo der Vater, der wegen einer neuen Arbeitsstelle bereits vorgefahren war, seine Familie in New York schon erwartete.
Nun, und diese Geschichte des kleinen David wird in dem großformatigen, durchgängig farbig illustrierten Buch erzählt, aber es geht darin eben auch um die gesamte Industriegeschichte auf den Meeren - von der ersten Dampfmaschine 1710 des englischen Erfinders (obendrein Predigers!) Thomas Newcomen über die ersten Raddampfer, die Segelschiffe, die erst durch Maschinen unterstützt wurden, wodurch aber die damaligen Ozeanreisen über den Atlantik "nur" noch um die 14 Tage dauerten.
Und dann, ab dem letzten Fünftel des 19. Jahrhunderts, die großen Passagierdampfer, die nur noch ausschließlich mit Maschinen betrieben wurden und ,alsbald das Wettrennen um das "Blaue Band" übernahmen, dem Reisegeschwindigkeitsrekord von Europa nach New York und zurück: der Anfangs- bzw. Endpunkt auf der nördlichen Route waren der Leuchtturm Bishop Rock auf den Scilly-Inseln vor Südwestengland und das Feuerschiff Ambrose vor der Einfahrt in den New Yorker Hafen. Als die letzte Siegerin gilt bis heute die 'United States', den Titel errang sie gleich im ersten Jahr ihrer Fertigstellung 1952.
(N.B.: Hier mischt sich mit seinem hanseatischen Stolz ein weiteres Mal der Blogger ein: 1929 gewannen die 'MS Europa' und 1939 die 'MS Bremen', beides Schiffe der Bremer Reederei des Norddeutschen Lloyd, diese begehrte Trophäe.)
Die Upper Class war ein anderes Thema, da reiste auch der Autor dieses wunderbaren Buches mit seiner Familie, dort herrschte größere Bequemlichkeit bis hin zu ausuferndem Luxus. Davon erzählt uns Maccaulay viele kuriose Details, aber das Buch eben auch, wie dieses stolze Schiff erbaut wurde und damit zu einer Krönung und Meisterleitung des traditionellen Schiffsbaus wurde.
Alles in allem bleibt das Buch eines derjenigen, die lange Jahre in den Bücherregalen der jungen Leser verweilen dürfen, weil sie immer wieder etwas Neues in ihm entdecken werden. Und das von fast ebenso vielen sicher auch ihren Platz behalten dürfen, wenn in den Bücherregalen dann später schon die Lektüre, die sie als Erwachsene lesen, steht. Dafür garantieren schon die meisterhaften Bilder und Skizzen von David Macclaunay, na, und überhaupt ist es ebenso ein wunderschönes Präsent für diejenigen Buchliebhaber, die ein ähnliches Faible für Schiffe, die Meere, die Häfen oder auch das "alte" Reisen haben.
P.S.: Beeindruckend auch der sechsseitige, 1,40 Meter breite Leporello in der Mitte des Buches, der den kompletten seitlichen Aufriss der "United States" zeigt, einschließlich einer ausführlichen Legende. Wäre eine schöne Idee gewesen, wenn der dem Buch auch separat beiläge (vielleicht in der 2. Auflage?). Ich bin sicher, der hinge dann an so mancher Wand in so manchem Kinderzimmer, und sicher nicht nur in Häusern in Küstennähe, sondern auch irgendwo in einem Haus in dem Alpen beispielswese. Bis dahin habe ich ihn hier aber schon mal als Video transponiert: https://youtu.be/uE-e__13ams.
Weblinks:
Video | The author explains the: https://youtu.be/B0CbpBCOD88
Video | Reportage | MS United States: https://youtu.be/ciMlzbXr1v8
Das Blaue Band: https://de.wikipedia.org/wiki/Blaues_Band#Reglement
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