Mittelmeerhitze in Schottland
- Guenter G. Rodewald
- vor 14 Stunden
- 4 Min. Lesezeit

19. August 2025 - Was mag das Statt-Theater Vegesack wohl geritten haben, seine zweite Premiere der Kriminalkomödie »Das indische Tuch« von Edgar Wallace in die bislang heißeste Woche des diesjährigen Sommers zu legen, die in dem Stück im kühlen Schottland spielt und dazu durch ein gruseliges Unwetter von der Außenwelt abgeschnitten ist? Nun, auf der Bühne haben sie's bestens gemeistert und wir im Publikum wohl auch. Ich hatte glücklicherweise meinen treuen Begleiter aus meinen Barcelonenser Jahren dabei, meinen albaníco, meinen Fächer. Auf keiner der beiden Seiten hat jemand schlapp gemacht, außer denjenigen, die es der Handlung des Dramas folgend vollziehen mussten.
Der Autor begrüßt persönlich
So wie wir eher etwas älteren Kinogänger und Fernsehzuschauer es kennen, begrüßte der Autor der Kriminalkomödie »Das indische Tuch« sein Publikum persönlich mit seinem tiefen Bass von der Bühne des Kulturbahnhofs Vegesack. Hören sie selbst: >>>
Denn die oben beschriebene, also etwas ältere Personengruppe hat - das kann man wohl behaupten und sie denn in Westdeutschland sozialisiert wurde - hat den einen oder anderen Edgar-Wallace-Film im Kino oder im Fernsehen gesehen. Insgesamt entstanden zwischen 1959 und 1972 gut dreißig (!) Filme in deutscher Produktion, die alle entweder auf den Kriminalromanen und/oder der Kriminaldramen und -komödien des britischen Autors Edgar Wallace (*1.4.1875 in Greenwich bei London; † 10.2.1932 in Hollywood, Kalifornien) basierten. Aber auch bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren wurden einige Filme in Deutschland produziert.
So war auch 1931 »Das indische Tuch« erst als Kriminalkomödie im Wyndham's Theatre in London noch unter dem Titel The Case of the Frightened Lady uraufgeführt worden, dem zwei Jahre auch ein Roman mit dem gleichen Titel und Inhalt folgte. Auch zwei britische Filme entstanden, einer bereits 1931 und ein zweiter 1940.
Und 1963 entstand die deutsche Constantin-Produktion des Indischen Tuches, mit Heinz Drache, Klaus Kinski, Elisabeth Flickenschildt, Hans Clarin in den Hauptrollen und vielen weiteren bekannten Schauspielern-Garde der 50-er und 60-er Jahre des bundesdeutschen Films.
17 Darsteller – Wie viele überleben den Abend?
Unter den siebzehn Darstellern und Darstellerinnen des Abends – die eigentlich alle ohne Ausnahme aufgezählt gehörten, denn sie alle »strotzten« geradezu vor Spiellust und Spielfreude - fallen Margarete Neumann in der Rolle von Lady Lebanon und Mel Araujo Walzberg als ihr Sohn Lord Edward Lebanon auf, auf den sie nichts, aber reinweg gar nichts kommen zu lassen bereit ist. Im Fall vom jungen Mel Araujo kann man sich durchaus den Sprung auf die professionelle Bühne oder vor die Kamera vorstellen. Warten wir’s ab. Ähnliches könnte auch auf Helene Weigelt passen, die als die Hausangestellte Ruby düster-aufgekratzt mit Hang zur Boshaftigkeit ihre Rolle auskostete.
Ebenso drehen Janina Wilksen und Torsten Schwerdt als das Ehepaar Tilling und natürlich Martin Dreifke als der Butler Richard Maria Boldwin auf hohe Touren hoch. Souverän Jörn Winzen in der Rolle des durch das Stück die Story tragende Anwalt der Familie, Frank Tanners. Sie alle überzeugen. Erfrischend unter ihnen mit ihrer auffallenden, nie überdrehten Art Sophie Raschke als die Gärtnerin Felicity, die es schwer im Verlauf des Abends hat, zusammen mit Butler Boldwin die diversen anfallenden Leichen wegzuschaffen.

Leichen? Im Plural?
In der Tat, viele sind es nicht, die am Ende noch mitspielen können, man hört irgendwann auf, die Mordopfer zu zählen, allesamt werden sie vor den Augen des Publikums allesamt mit dem titelgebenden indischen Tuch hinterrücks erdrosselt oder erwürgt, nur eine, Haruka (Norma Metag) wählt den Freitod. Aber zum Abschluss stehen sie allesamt wieder quicklebendig auf der Bühne, um sich mit vollem Recht den Applaus des angeregten und amüsierten Publikums abzuholen.
Danach
Nachdem der nicht vorhandene Schlussvorhang gefallen war, trat Jörn Winzen vors Publikum und lud es ein, sich noch im Foyer, sprich der Bar des Theaters, zu den Protagonisten des Abends zu gesellen. Unter anderem suche man nach einem handwerklich ambitionierten Menschen für die technischen Belange des Statt-Theaters, wie die Herstellung und Aufstellung der Bühnenbilder, und überhaupt nach Leuten, die Gefallen finden könnten, sich auch auf der Bühne ausprobieren zu wollen. Vor allem nach Männern, jungen wie älteren, sucht die von 36 Jahren gegründete Truppe
Am Ende blieben die »Statt-Theatertler« aber eher unter sich, feierten so zusammen die nunmehr zweite gelungene Premiere ihrer Wallace-Produktion, nunmehr unter professionelleren Bedingungen im Kulturbahnhof Vegesack als das die Aufführungen im vergangenen Jahr des gleichen Stücks in dem doch etwas weniger charmanten Ambiente der alten Aula der Oberschule an der Lerchenstraße bieten konnten. So sehr es zu begrüßen ist, dass die Schule ihren Veranstaltungssaal – nun in Zukunft auch in dem neu erbauten Flügel der Schule - für solche externen Ereignisse zur Verfügung stellt, auch ganz im Interesse der nachbarschaftlichen kulturellen Kontaktpflege.
Bei Otto & Sohn wird weiter gelesen

Auf das hoch zu bedauernde und für Vegesacks Kulturlandschaft einschneidende Aus der fast 100 Jahre alten Buchhandlung Otto & Sohn in der Breiten Straße im vergangenen Juli im Namen des ganzen Ensembles hinzuweisen, ließ sich Jörg Winzen auch nicht nehmen und wurde spürbar vom Publikum unterstützt. Schön zu hören, dass Martin Mader, der nie müde gewordene Inhaber der Buchhandlung seinen Laden (früher auch aktives Mitglied der Vegesacker Truppe - unvergesslich seine diversen Auftritte in dem Ein-Personen-Stück Der Kontrabass von Patrick Süskind) in den Herbst- und Wintermonaten hindurch für Lesungen, Buchvorstellungen, Gespräche über Bücher und Musik weiter dem literarischen Leben der Stadt offen hält! (Programm: siehe unten in den Weblinks)
Die noch verbleibenden drei Aufführungen von »Das indische Tuch«:
Freitag, 22.08.25 · 19:30 h
Samstag, 23.08.25 · 19:30 h
Sonntag, 24.08.25 · 16:00 h
Alle weiterhin im
Weblinks:
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