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AutorenbildGuenter G. Rodewald

Putin wird Helmut

Aktualisiert: 4. Apr.

03.04.2024 - In der Stadt Bremen gibt es neun sogenannte »Bürgerhäuser«, das sind die von der Bremer Stadtverwaltung unterstützten, kulturellen und sozialen Treffpunkte in den Stadtteilen Es gibt auch eines in dem Stadtteil, in dem ich wohnen darf, in Vegesack, der hoch im Norden Deutschlands gelegenen und schmalster, sich rechts und links an der Weser hochschlängelnden Hansestadt, und das zu Ehren des Präsidenten der Bundesrepublik von 1969 bis 1974 den Namen Gustav-Heinemann-Bürgerhaus trägt.


Außer dass dieser Präsident endlich die zehn langen und peinlichen Jahre der Präsidentschaft eines Heinrich Lübke, der in der Zeit der Nationalsozialisten unter anderem von 1939 bis 1945 als Bauleiter der Heeresversuchsanstalt Peenemünde in der »Gruppe Schlempp« zweifelhaften Ruhm erlangte, wo er unter anderem von 1943 bis 1945 die Verantwortung für den Einsatz von KZ-Häftlingen innehatte.


Ich erlaube mir eine weitere Abschweifung, da mich doch kein Ressortleiter bremsen kann: denn ganz persönlich verdanke ich Gustav Heinemann, dass er entscheidend daran mitgewirkt hatte, dass er als SPD-Justizminister im Jahre 1969 den seit 1881 existierenden Homosexuellenparagraphen §175 entkriminalisiert hatte, wenn dieser auch erst 1994 in seiner Gänze aus dem Strafgesetzbuch entfernt wurde.


Dieses alles als Einleitung zu meiner heutigen Kulturrezension nur deshalb, weil mir persönlich die Liberalisierung und Abschaffung jenes »Hundertfünfundsiebzigers« es ermöglichte, voll und ganz endlich meine Sexualität ausleben zu dürfen und zu können.


Ich habe nunmehr meine Pflicht erfüllt, auch Butenbremern (so nennt man auf Plattdeutsch in Bremen Bremer, die keine Bremer sind, bzw. Bremen nicht so ganz gut kennen) dargelegte Hintergrund der Namensgebung unseres lokalen Kulturzentrums zu erläutern, und komme somit zum eigentlichen Bericht über eine Veranstaltung am Freitag des 15. März in jenem Etablissement.


Hoher Besuch


Das Kulturhaus hat schon viele bedeutende Künstler und Künstlerinnen begrüßen dürfen, und neulich lockte die große Heroine des deutschen Theaters, die Schauspiel- und Opernregisseurin, vielen Hörbüchern ihre Stimme schenkende Katharina Thalbach mit einer eineinhalb Stunden langen Lesung. Sie las aus dem ersten der drei bislang drei erschienenen Miss-Merkel-Romanen des Bremer Autors David Safier, der mit dem Titel Miss Merkel – Mord in der Uckermark. In der Trilogie gönnt der Autor seiner Phantasie vollen Auslauf, indem er schildert, wie eine Bundeskanzlerin, die 5860 Tage im Amt war, sich ihren Ruhestand gestaltet, zusammen mit ihrem Ehemann Joachim Sauer, der von ihr im Roman liebevoll mit dem Kosenamen Puffel gerufen wird.


Er gewährt ihr großzügig eine neue – wie gesagt, bislang in eine Trilogie gefasste – Identität und Existenz als brandenburgische Miss Marple, also einer Hobby-Detektivin. Ich bin sicher, dass es nicht bei einem Dreiteiler bleiben wird, denn die bisher erschienenen Bände verkaufen sich wie »geschnitten Brot«. So glänzt der im April 2021 erstmalig erschienene Band 1, aus dem die Thalbach jetzt las, im Januar dieses Jahres mit seiner 21. Auflage. Band 2 (erschienen im März 2023) mit immerhin schon fünf Auflagen und der erst kürzlich im Januar erschienene Band 3 befindet sich auch schon in der zweiten Edition, alle – der Vollständigkeit halber erwähnt - im Kindler Verlag erschienen, dem im Rowohlt Verlag der leichten Muse gewidmeten Imprint.


Vierfacher Magnetismus


Ganz sicher waren es vier Magnete, die garantierten, den Saal des G-H-Hauses bis zum letzten Platz voll zu bekommen; immerhin bietet er Platz für gute 600 Besucher:


  • Katharina Thalbach, die vor drei Monaten ihren 70. Geburtstag feierte, gehört seit vielen Jahren, seit Jahrzehnten, zur ersten Riege der deutschen Theater- und Filmdarstellerinnen. Angefangen hatte sie ihre Bühnenlaufbahn schon mit vier Jahren als Tochter des Regisseurs Benno Besson (1922–2006) und der Schauspielerin Sabine Thalbach (1932–1966). Ihren ersten großen Durchbruch hatte sie wohl als junge Darstellerin mit jener spektakulären, damals in den 70-er Jahren noch als skandalös erachteten »Brause­pulverszene« mit dem damals zehn Jahre jüngeren David Bennent in Volker Schlöndorffs Verfilmung (1974) von »Die Blechtrommel« von Günter Grass.


  • Später im Theater unvergessen: ihre Inszenierung von Carl Zuckmayers »Der Hauptmann von Köpenick« mit Harald Juhnke in der Titelrolle, die sie dann selbst spielte, wenn Juhnke selbst unpässlich war, was damals immer mal wieder vorkam. Ich hatte selbst das Vergnügen, eine solche Aufführung irgendwann gegen Ende der 90-er Jahre im Berliner Maxim-Gorki-Theater sehen zu dürfen, eben mit der Thalbach in der Rolle des Wilhelm Vogt. Ein Genuss!


  • Und nun ganz aktuell lernen wir sie in der Rolle der Angela Merkel in der Verfilmung des ersten Bandes der Safier-Serie kennen, produziert durch RTL+, das ihr und dem Privatsender sensationelle Einschaltquoten bescherte. Am 19.03.2024 hatte auch die zweite Folge ihre Premiere, diese konnte aber leider bislang die hohen Erwartungen, die die erste Folge erzielt hatte, bei weitem nicht einholen (Link). Bei ihrem Auftritt in Vegesack bat sie schelmenhaft unverhohlen das Publikum, ihr auch, bitte sehr, für diese zweite Folge »televisive Treue« zu halten, damit dann auch der dritte Band verfilmt würde, denn das würde ihr bei der Sicherung ihrer Rente helfen. Ich bin sicher, ihre Fans dieses Bremer Abends haben ihr diesen Gefallen getan, zumindest quittierten sie diesen verschmitzten Wunsch schon mal mit sehr großzügigem Szenenapplaus! Trotz der permanenten Werbe-Interruptionen, mit denen diese Privatsender immer wieder und extrem ihre Produktionen störend bis anstößig oft verunreinigen. Ein fehlender Respekt allen Akteuren gegenüber!


  • Und last but not least das politische Engagement, durch das Katharina Thalbach sich immer wieder auch von dieser Seite bemerkbar macht, unter anderem in der gewaltigen Solidaritäts-Veranstaltung im November letzten Jahres Gegen das Schweigen. Gegen Antisemitismus. im Berliner Ensemble Siehe hier: >>> YouTube.



Der Safier-Coup


Die Romane aus der Miss-Merkel-Serie von David Safier erfüllen weder die Ansprüche von scharfzüngiger Satire, noch gereichen sie womöglich dem Genre der Crime Novels zur Ehre, aber welch gutes Gespür hatte der Autor mit seiner Autoren-Idee, dass es Bestseller werden würden! Das sei ihm und dem Verlag mehr als gegönnt, zumal sich in den Regalen der Buchhandlungern und in den Listen der Verlage weitaus schlechtere Unterhaltungsliteratur verschanzt.


Aber Miss Thalbach macht aus den Texten ein Riesenspectaculum; ihre unbändige Lust am Chargieren, ihre geniale, niemals ins Peinliche abgleitende Qualität als „Rampensau“ füllt, trotz ihren kleinen Statur, die obendrein bei ihrem Vortrag hinter einem dazu noch überdimensionalen schwarz umkleideten Pult fast nur halb zu sehen ist, füllt sie stimmlich und gestenreich die eigentlich für sie fast zu groß geratene Gustav-Heinemann-Bühne.


Und als sie dann noch in einer Szene ihre Hände zur Merkel-Raute dem Publikum entgegenstreckt, kennt der Beifall kaum Grenzen. Nein, sie versteht es bis zur Perfektion, ihr Publikum mitzureißen. Das wurde einem nie zu viel, es riss einen förmlich mit und entlockte dem Publikum und provozierte herzlichstes und tiefstes Lachen.


In den Adel erhoben


Am Ende ist das Ergebnis: die Thalbach adelt durch ihre Interpretation die Texte von Safier. Dessen ist sie sich auch bewusst, und das dankt sie ihm auch ausdrücklich von oben von der Bühne herab und am Ende beim Schlussapplaus. Denn das hat Safier sich nicht nehmen lassen, ihr bei ihrem Auftritt in seiner Heimatstadt, zusammen mit seiner Familie und einer mehrzähligen Entourage von Freunden, beizuwohnen.


Ach ja: In den Romanen heißt der Hund, den Miss Merkel ihr Gatte geschenkt hat, Putin. Aber schon in den Filmen heißt er dann Helmut und ebenso bei Thalbachs Lesung. Ein eindeutiges Zeichen von War-Washing im Zeitalter der verbannten Wörter. Aber beim Publikum kommen solche nunmehr bundesdeutsch gefärbten Anspielungen bestens an und den Namen Putin, wer mag den noch hören?. In den Büchern soll nunmehr tatsächlich auch eine entsprechende Operation erfolgen, wie der Rowohlt Verlag hat verlautbaren lassen und wie der SPIEGEL berichtet: Link.



David Safier - gedruckt oder vorgelesen – ist u.a. hier zu beziehen:

Oder auch hier: 

 

Weblinks:

 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info 

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