3. Januar 2022 - Meine Verlegerfreundin Regina Vitali wird heute 80 Jahre alt. Alt? Dummes Zeug! im BuchMarkt durfte ich eine Laudatio auf sie und ihren Ehrentag schreiben. Es war mir ein allererstes Vergnügen!
Wie ich diese Idee und lange Tradition des BuchMarkt liebe...
... unseren Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen zu ihren jeweiligen runden Feierdaten, Jubiläen und Festen im Heft oder hier auf der Homepage Gratulationen und Lobpreisungen zu dedizieren! Und dass ich nun einen Tusch auf eine Person ausstoßen darf, die ich hochschätze, verehre und liebe, ist mir eine große Ehre!
„Tätärätä!“ lasse ich sie gedanklich ertönen, die Fanfare (denn im wirklichen Leben kann ich gar nicht trompeten oder posaunen…), in der engen Gasse, der Koppel, vor dem schmalen Hamburger Kontorhaus mit der Nummer 71, mitten im Herzen des Kiezes St. Georg. Längst haben alle, die die so geehrte Person kennen, sie auch schon identifiziert: das Ständchen gilt der großherzigen, humorvollen, nie ermüdenden, hoch professionellen, nahezu lebenslangen Verlegerin Regina Vitali, von der behauptet wird, dass sie heute unglaubliche 80 Jahre alt werden solle.
In diesem Haus lebt und arbeitet sie seit vielen Jahren und einem Treppenhaus, steil wie es zu diesen Gebäuden gehört, das eine wundersame Ausstellung beherbergt: in ihr hängen mittlerweile 38 Literatur Kalender, denn solange erscheint er schon, genauer gesagt, seit 1985. Der Ausgabe 2021 wurde somit vom Deutschen Buchhandel der längst fällige, mehr als gerechte Ehrentitel „Bester Kalender Longseller“ zuerkannt.
Da hängen sie nun alle, diese illustrierten Almanache der Weltliteratur, die den Bibliophilen, Literaturverrückten und Schöngeistern jede Woche ein neues Fenster öffnen, mit den fast immer in den letzten Winkeln der Weltarchive aufgestöberten Illustrationen und Texten, die meist Reginas Verlagsgenossin Elisabeth Raabe aufspürt, aber deren nicht minder aufwendigen Copyright-Recherchen und die fälligen Lizenzzahlungen in Reginas Zuständigkeitsbereich fallen.
So ist dieses Verlagsunternehmen seit dem 31. Dezember 1982 in diese zwei Abteilungen zwischen den beiden Verlegerinnen aufgeteilt, dem Dept. Wort und dem Dept. Zahl. Fehlen tut in der Auflistung natürlich noch das Dept. Grafik, das eben genauso lange von Frankfurt aus von dem Grafiker und preisgekrönten Buchausstatter Max Bartholl verantwortet wird. 1982 war das Jahr, als Regina und Elisabeth ihren ersten gemeinsamen Verlag gründeten, indem sie die 1944 gegründete »Verlags AG Die Arche« des legendären Verlegers Peter Schifferli (1921-1980) erwarben.
Den Arche Literatur Kalender kenne ich seit seiner allerersten Ausgabe: in meinem vorletzten Jahr als Bremer Buchhändler habe ich ihn dort noch verkauft, hatte ihn auch – das war selbstverständlich – in meinem Umzugsgepäck, als ich im Herbst ’85 nach Barcelona zog, wo ich Literaturagent wurde. In dieser Funktion durfte ich dann irgendwann gegen Ende der 90-er Jahre die beiden Schöpferinnen des Kalenders persönlich kennenlernen, denn unserer Agentur gelang es damals, für den Debütroman Agnes von Peter Stamm, den die beiden für ihren Arche Verlag entdeckt hatten, den spanischen Verlag Acantilado des großen Verlegers Jaume Vallcorba (1949-2014) zu gewinnen. Seitdem gehört Stamm längst zu den am meisten publizierten deutschsprachigen zeitgenössischen Autoren in Spanien.
Aus dem Kennenlernen wurde Freundschaft, man traf sich alljährlich auf der Frankfurter Buchmesse, bei der Messe 2011 auch ein unvergessliches Abendessen publizierte in dem italienischen Lokal Triangolo, mit vielen Freunden und Weggenossen des Verlages, als dieser noch unter dem Namen Arche Verlag Zürich Hamburg von den beiden geführt wurde und verlegte. Es fand aus Anlass der Publikation von „Willemsens Musikwoche 2012“ statt, mit einer dieser wunderschönen freien Reden eines Roger Willemsen, der so auch zu Reginas und Elisabeth Autoren wurde. Ich erinnere mich, dass ich damals ungefragt das Mikro ergriff und in aller Öffentlichkeit nach den Memoiren der beiden Verlegerinnen verlangte, was dann 2015 tatsächlich Realität wurde; siehe das P.S.
Und dann erinnere ich mich an zwei weitere ausgesprochen drollige gemeinsame Begegnungen. Die erste geschah, als ich bei einem meiner ebenfalls alljährlichen Heimatbesuchen nach der Messe in meiner norddeutschen Heimat mit Freunden nach einem gepflegten Kaffeeklatsch im Café im Rilke-Haus in Fischerhude auf die Straße trat und nach ein paar wenigen Schritten uns wer entgegenkam? Es waren Regina und Elisabeth, die uns da entgegenschlenderten! Immerhin war ich aus dem weiten Barcelona zu Besuch und die beiden lebten in Hamburg (verbrachten aber viele Jahre lang glückliche Zeiten in ihrem geliebten Haus in dem Künstlerdorf). Das sind dann diese wundersamen, unerklärlichen Zufälle, die unsere Leben so geheimnisvoll machen. Es blieb dann bei einem Klönschnack, wie wir hier im Norden Unterhaltungen en passant auf der Straße nennen (wie mag man sie in der Schweiz nennen, aus der Regina doch stammt?). Aber immer wieder erinnern wir uns gerne an dieses Treffen mitten im Fischerhuder Moor, fern den Heimaten.
Die zweite geschah so ganz anders, nämlich lange geplant und ausgetüftelt. Es war Reginas und Elisabeths gemeinsame Reise nach Barcelona. Ein gepflegtes Quartier mit eigener Küche mitten im Eixample und einem Balkon mit Blick über den Innenhof auf die Terrasse unserer gegenüberliegenden Agentur hatten wir organisiert. Eine unserer gemeinsamen Unternehmungen führte uns drei über Barcelonas Hausberg, den Tibidado, von dem man einen großartigen Blick auf die Stadt und das Mittelmeer genießen kann und zwar am besten von der Terrasse des legendären Gran Hotel la Florida, in dem schon Marilyn Monroe, Ernest Hemingway oder Rock Hudson abgestiegen waren.
So haben wir uns dreist auf die eigentlich nur für die Hotelgäste reservierte Veranda des Hotels geschlichen und uns drei erfrischende Drinks – denn es war glühend heiß an dem Tag, allerdings hat uns dort oben ein frischer Wind umweht – mit Aussicht auf das spektakuläre Panorama gegönnt. Danach ging es weiter hinter den Berg in unser bescheidenes Häuschen am Hang, wo mein Mann Hartmut bereits auf einer unserer Terrassen den Kaffee-und-Kuchen-Tisch nach getreuer deutscher Art vorbereitet hatte. Lange saßen wir da zusammen. (Und gerade erwischt mich ein Moment des Heimwehs an unsere jahrzehntelange Wahlheimat…).
Aber nun wünschen wir Regina heute eine schöne Feier in dem den aktuellen Umständen geschuldeten nur engen Kreis mit ihrer Familie und ihren Weggenossen der edition momente. Aber irgendwann wird das „große“ Fest nachgeholt, wenn wir wieder alle „dürfen“, irgendwo da in der Nähe der Außenalster, um die herum Regina so gerne ihre geliebten Spaziergänge unternimmt.
P.S.: Die (fast) ganze Geschichte über Reginas Leben mit Büchern, das sie als Buchhändlerin begann und als solche 1970 den allerersten Buchladen für Kinder- und Jugendbücher der deutschsprachigen Bücherwelt in Zürich mitbegründete, und über die vielen mit Elisabeth Raabe gemeinsam erlebten und bewältigten Verlagsprojekte kann man nachlesen. Wer es noch nicht kennt, sollte sich das Vergnügen gönnen, das Buch kennenzulernen, und wer es schon einmalgelesen hat, kann sich mit erneuter Lektüre ebenso eine Freude machen. Es ist nach wie vor in der edition momente lieferbar: „Eine Arche ist eine Arche ist eine Arche“ heißt es, sein Untertitel: Verlegerinnenleben, sehr passend!
Wer Regina Vitali ebenfalls gratulieren möchte, hier der Kontakt: vitali@edition-momente.de
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