... hätte Friedo Lampe gefunden für den Fall, wenn er seine Geschichten vor Publikum vorlesen lassen wollte: Peter Kaempfe, Schauspieler, Hörspiel- und Hörbuchsprecher hat das gestern Abend im Bremer Focke-Museum einmal mehr unter Beweis gestellt.
Ich kannte Kaempfes Lampe-Lesungen schon von der CD Am Rande der Nacht, eine leider vergriffene Co-Produktion aus dem Jahre 1999 von Radio Bremen und dem Göttinger Wallstein Verlag, aber nun habe ich ihm dabei auch zusehen können, wie er die Lampe-Texte nicht nur spricht, sondern auch vorspielt. Ach, und wie ich Kaempfes Slang liebe, die er Hein Dieckmann in Der Ringkampf in den Mund legt!
Das Bremer Projekt LESEart, das bislang seine Veranstaltungen bis zu deren dortigem Wegzug im swb-Kundencenter Am Wall platzieren konnte, hat nun seinen neuen Aufführungsort in dem Vortragssaal des Focke-Museums gefunden, den eine angenehme Akustik und Atmosphäre auszeichnet, mit Blick durch die raumhohen Fenster in den Garten.
Gisela Mues von LESEart stellte Peter Kaempfe vor, in Bremen natürlich bestens bekannt als einer der Mitbegründer der Shakespeare Company, damals mit ihrem ersten Spielort in der Böttcherstraße in den alten „Kammerspielen“ einstmals die Dependance-Bühne für das Boulevard- und Kammertheater des Theaters am Goetheplatz. Offenherzig Frau Mues‘ Bekenntnis, als sie „gestand“, dass sie erst durch eine Fotomontage im Bremer Weser-Kurier auf Friedo Lampe gestoßen sei, von dem sie vorher noch nicht wusste. Das wurde mit Stolz meinerseits registriert, stammte jene Collage, die der WK im Februar 2020 abgedruckt hatte, doch von mir…
Als erstes las Kaempfe Der Ringkampf, Szene aus Lampes Am Rande der Nacht, die 1934 kurz nach dem Erscheinen des Buches einer der Anlässe war, es durch die NS-Zensur konfiszieren zu lassen, wegen ihrer unzweideutigen homosexuellen Bezüge. Eines von Lampes Meisterstücken, aber auch eines von Kaempfes.
Danach folgte die sich in vielen Sequenzen verlierende Traumerzählung Von Tür zu Tür, der titelgebenden Geschichte aus dem Erzählungsband aus dem Jahre 1944, die Luis Buñuel gut für ein Drehbuch hätte dienen können (zeitlich wäre das möglich, wäre Buñuel des Deutschen mächtig gewesen, was nachweislich nicht der Fall gewesen ist). Allerdings spielt die Geschichte hier im Norden, in Bremen, wie so viele der Texte in Lampes Werk, in Präsenz und in zentralen Rollen ein Schellfisch und ein enthaupteter Papagei, eine weitere plastischen Szene scheint im Kuppelsaal des früheren Krematoriums des Riensberger Friedhofs angesiedelt zu sein.
Den Abschluss bildete dann die feine humorige literarische Etüde Eduard – Eine kleine Formfibel, ebenfalls dem Band Von Tür zu Tür entnommen. Ein Glanzstück ebenfalls. Vom Autor und vom Rezitator.
Die von Kaempfe ans Publikum eingangs des Abends gerichtete Frage, wem der Autor oder sein Werk denn bekannt seien, wurde von seiner Mehrheit verneint. Da sehen wir also, dass wir weiterhin nicht müde werden dürfen, das Werk von Friedo Lampe und seine Person an die Stelle des Bremer kulturellen Gedächtnisses zu rücken, die beide verdienen. Und warum zu diesem Zweck nicht eine Gesamtaufnahme von Lampes Werk in einer Audio-Edition produzieren?
Wie wär’s damit, lieber Wallstein Verlag? Einen Vorleser könnte ich Ihnen empfehlen!
Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info- Wir freuen uns über jede Reaktion.
Commentaires