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Tauwetter

Autorenbild: Guenter G. RodewaldGuenter G. Rodewald

Mir gefallen sie einfach, die Kinderbücher, die der Bremer Autor Will Gmehling schreibt! Sein neuestes hat er »Der Sternsee« genannt, es ist wie die meisten seiner letzten Publikationen im Peter Hammer Verlag erschienen und erzählt von zwei Mädchen und zwei Buben, Anastasia, Sissi, Mo und dem Jungen, der uns die Geschichte erzählt. Seinen Namen lernen wir nicht kennen, es ist einfach »ich«. Die vier wohnen in einer Trabantenstadt, wie wir sie in allen unseren Metropolen kennen. Es ist schön zu erleben, wie die vier zueinanderhalten, wie beispielsweise Mo Franziska vor ihren Schulkameradinnen verteidigt. Dass Mo dunkelhäutig ist, verraten uns nur die Illustrationen von Jens Rassmuss. Unserem Erzähler ist dieses Detail keiner Erwähnung wert. Warum Anastasia in der Schule gemobbt wird, das erwähnt er schon:


»Anastasia wollte nicht sagen, wo irgendjemand wohnte. Sie wollte überhaupt fast nie was sagen. Uns andern machte das nichts aus, warum auch. Wenn jemand sie auslachte in der Schule, bekam er Ärger mit Mo. Er passte auf Anastasia auf, wie auf uns alle.«


Schöner kann mit solch knappen Worten, kann man Freundschaft kaum beschreiben.

Von dem Quartett der Kinder erfahren wir, dass sie alle in weniger begüterten Familien aufwachsen, die Andeutungen unseres Erzählers lassen außerdem vermuten, dass dessen Mutter wohl depressive Phasen erleben muss. Auch lassen es die Verhältnisse es nicht zu, dass sie in den großen Ferien verreisen könnten. Unser Erzähler muss sich sogar von seinem Lehrer, der obendrein noch Herr Plump heißt!, recht unsensibel anhören lassen muss, dass er gut mal seinen schwer abgenutzten Ranzen gegen einen neuen austauschen könne.


»Was Herr Plump sagte, stimmte leider: Mein Ranzen war ziemlich fertig. Ich hatte ihn schon seit der ersten Klas­se. In Wahrheit hätte ich selber gern einen neuen gehabt, so einen neongelben wie Marc: wasserdicht, mit tausend Extrafächern. Aber der kostete fast dreihundert Euro. Ich hätte Mama fragen können, aber dann hätte sie wieder ihre schlimme Viertelstunde bekommen, von wegen wenig Geld haben und so weiter. Also ließ ich es bleiben.«


Ein Wunder geschieht


Alle vier wohnen sie in einem Hochhaus, wie viele Stockwerke es hat, erfahren wir nicht, aber Anastasia zumindest wohnt schon mal in einem 11. Stock und die Bilder von Rassmussen verraten darüber noch weitere Etagen. Wir kennen solche Bauten aus all unseren Großstädten, in Bremen stehen sie in den suburbans von Blockdiek, Lüssum oder Grohn. Unsere vier Freunde schauen alle aus ihren Wohnungen auf den See. Da er nicht einfallslos rund ist, sondern fünf Zacken hat, wird er von allen der Sternsee genannt.


Aber eines Tages passiert etwas Wundersames. Nach einem ganz normalen Sommer und Herbst beginnt der See plötzlich im Januar zuzufrieren, was seit ewigen Zeiten nicht mehr passiert war, jedenfalls erinnert sich keiner der Anwohner daran. Nachdem man das Eis zum Betreten irgendwann freigibt, beginnen die Kinder und alle aus dem Viertel den zugefrorenen See eifrig und mit viel Vergnügen zu nutzen.


Der Winter geht zu Ende, das Frühjahr beginnt, aber das Eis will einfach nicht schmelzen, es bleibt das ganze Frühjahr, den ganzen langen Sommer. Landesweit spricht sich das Phänomen herum und von überall her reisen in Scharen TV- und Radiosender an, ein Kioskbesitzer macht das Geschäft seines Lebens, unvermeidliche Querdenker, Oberkluge halten kluge und viele unkluge Reder, der Auftrieb ist massenhaft. Bis irgendwann die Schaulust und die Neugier versickern. Und die Viertelbewohner mehr oder wenige wieder unter sich sind.


Aber im September, genauer gesagt »am 7. September nachts 3 Uhr 23« erbebt mit einem Riesenlärm die Erde und das Eis zerbricht in riesengroße Schollen und türmt sich meterweise im See auf. Alles beginnt zu schmelzen und aus dem zugefrorenen See wird am Ende doch wieder einer mit Wasser, überschwemmt jedoch alles um sich herum, bis schließlich alles wieder so aussieht wie vorher. Und all das gleiche Leben von vorher kehrt zurück ins Viertel zurück.


Ein Buch voller Liebe


Obwohl, es geschieht noch etwas ganz Wunderbares. Aber das sei hier nicht weiter enthüllt, jedoch die Geschichte klingt danach sehr rührend mit einer Liebesgeschichte aus, wer mit wem, auch das verrate ich nicht, kann aber in Der Sternsee nachgelesen werden. Soviel nur: Anastasia beginnt zu reden...


Will Gmehling liebt seine Helden, wie man schon in seinen drei Romanen um die Bukowskis in deren Trilogie erlebt hat (und von denen der erste Band »Freibad« aus gutenm Grund den Deutschen  Jugendliteraturpreis 2020 gewonnen hat!). Er beschreibt sie unbefangen und vorurteilsfrei, bzw. lässt sie sich durch den Trick' des Ich-Erzählers selbst so schildern. Diese Nähe zu seinen Protagonisten rückt ihn in enge erzählerische Nachbarschhaft zu den Künsten eines Erich Kästner.

So passen auch die beeindruckenden schwarz-weiß-blaugrauen Illustrationen von Jens Rassmuss dazu, sie haben ebenfalls einen historischen familiären Bezug zu einem Meister, den zu Walter Trier.


Ein empfehlenswertes (und wieder preisverdächtiges!) Buch für Leser und Leserinnen ab 9 Jahre.

 
 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info

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