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  • AutorenbildGuenter G. Rodewald

Verlust - Ein Nachruf auf Jutta Lampe

Aktualisiert: 28. Aug. 2022


Auf der Homepage des Theater Bremen durfte ich meine Erinnerung an die am 3. Dezember verstorbene Jutta Lampe veröffentlichen, eine Erinnerung, die aus weit entfernter Zeit stammt, aus den Jahren, als sie auf Bremens Bühnen spielte. Und als ich als junger Statist die wunderbare Welt des Bremer Theaters unter der Ägide von Kurt Hübner miterleben durfte.


Verlust - Ein Nachruf auf Jutta Lampe


Am 6. Dezember ist die Schauspielerin Jutta Lampe in Berlin gestorben, zehn Tage vor ihrem 83. Geburtstag. Jutta Lampe gehörte zum Ensemble des Theater Bremen von 1964 bis zum Ende der Spielzeit 1970, als sie die Hansestadt an das damals wohl wichtigste Theater Deutschlands verlor, an die Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin. Nach Bremen hatte sie Kurt Hübner aus Mannheim wegengagiert, „mit seinem Geruch für junge Begabungen, Schauspieler und Regisseure“, wie sie selbst einmal an ihren Entdecker schrieb.


In Bremen kannte man Jutta Lampe nicht nur in ihren die Kultur der Republik aufwühlenden und das Bremer Abonnement-Publikum aufschreckenden Produktionen wie eine von Maß für Maß unter Peter Zadek oder wie eine des Torquato Tasso von Peter Stein.


Wie sie, gab es in dieser Zeit noch viele, sehr viele SchauspielerInnen, aber ebenso Regisseure und Bühnenbildner, die allesamt Entdeckungen Hübners waren, dem „Menschenentdecker“ (Moritz Rinke). Den in den Jahren auch alle als herzlos kritischen bis despotischen Theaterprinzipal kennengelernt haben, der aber auch ein sehr herzlicher Menschen sein konnte und sich zu entschuldigen und zu berichtigen in der Lage war. Ihr elementares Theatertalent bewies Jutta Lampe ebenso im eher „leichten“ Fach, dem anspruchsvollen Boulevard, das in Bremen damals seine kleine, feine Bühne in den „Kammerspielen in der Böttcherstraße“ hatte, die nicht viel größere Dimensionen als ein Wohnzimmer hatte und in deren Zuschauerraum ein wenig mehr als 200 ZuschauerInnen passten. Diese Stücke machten ihr genauso viel Spaß und offenbarten ihr schauspielerisches Talent wie die turbulenten bahnbrechenden Inszenierungen auf der Bühne des „Großen Hauses“ am Goetheplatz.


Ich hatte das unvergessliche Glück, 1963 mit vierzehn Jahren ins Theater am Goetheplatz gespült zu werden.


Mein „Debüt“ hatte ich im Knabenchor in der Turandot links auf der Seitenbühne („Là, sui monti dell’est…“ - damals noch auf Deutsch: „Fern auf den Bergen im Ost…“). Dann folgten bald kleinere bis mittlere Statistenrollen, alles bis 1969/70, als ich die Stadt und damit das Theater zum Studium verließ. Damit war ich in die Hoch-Zeit des „Bremer Stils“ geworfen worden, in diesen aufgewühlten Pool der ungebremsten, keine Rücksicht auf hergebrachte Theatertraditionen nehmenden, provozierenden, schreiend lauten, aber ebenso leisen, lyrischen Produktionen. Und war so fasziniert davon, dass ich nach der Schule und an den Abenden kaum noch woanders anzutreffen war als in diesem turbulenten Theater, von der Seite dem Spiel und den Sängern zusehend und -hörend, auch an den Abenden, an denn ich selbst nicht beschäftigt war. Und natürlich in der Kantine im Untergeschoss, wo sie alle verkehrten, wo sich alle vermischten, Schauspieler, Sängerinnen, Regisseure, Bühnenbildnerinnen, der Chor, die MusikerInnen aus dem Orchester, die Technik, eben auch die Statisten. Es wurde viel getrunken und am späten Abend auch gern gekifft.


Man traf alle auf Augenhöhe, alle diese jungen, bis blutjungen Leute, von denen dann später viele zu großen Stars auf der Bühne oder im Film und TV wurden.


Und sie waren alle so „normal“, aufmerksam, freundlich, sprachen einen mit seinem Namen an. Man fühlte sich wie einer von ihnen, so niedrig man in der Artistenhierarchie eines Theaters als Extra auch stand. Und eine von diesen freundlichen natürlichen Menschen war Jutta Lampe, von der man immer den Eindruck hatte, sie könne niemals böse werden, mit ihrer leisen, feinen Stimme, mit der sie einen begrüßte und sich einem zuwandte. Zumindest wenn man sie auf der Bühne erlebte, sah man jedoch, dass sie sehr wohl sehr laut, berstend, zornig, aufbrausend und grob, ungehalten, gereizt, bitterböse, traurig und enttäuscht sein konnte.


Wohl am großartigsten in ihrer, meiner Zeit, meine ich, sie erlebt zu haben in Steins Tasso, dort an der Seite der anderen großen Mimin der Bremer und bis in die heutige Zeit, Edith Clever, Bruno Ganz und Werner Rehm.


Eine Aufführung, in der ich wohl, einschließlich der Premiere, bis an die zehn Male saß, die Freikarten, die ich dank meines Status‘ als Statist des Hauses und eines mir wohlgesonnenen Herrn an der Theaterkasse, immer ergatterte, machten es möglich. Leider habe ich Jutta Lampe seit ihren Jahren in Bremen nie wieder auf einer Bühne gesehen, als sie Peter Stein nach Berlin folgte und ich die Stadt zum Studieren verließ und irgendwann und lange im Ausland lebte. Aber hin und wieder sah ich sie in im Fernsehen aufgezeichneten Theaterproduktionen (Drei Schwestern!). Einige von ihnen zeigt jetzt in ihrem Angedenken ihre zur Heimat gewordene Bühne in Berlin auf deren Homepage. Ein schönes Wiedersehen, verbunden aber mit dem großen Bedauern über die Endgültigkeit und auch Traurigkeit, weil man jetzt in den Nachrufen davon lesen musste, dass sie ihre letzten Jahre in demenzbedingter Abwesenheit von der Bühne verbrachte.


Die Bremer, das Bremer Theater, alle, die sie jemals erleben, mit ihr spielen und sie sehen durften, werden sie schmerzlich vermissen.

10. Dezember 2020

 

Weblinks:

Und ein Nachruf von Peter Kümmel in DIE ZEIT vom 10.XII.2020:

DIE ZEIT JUTTA LAMPE 20201210
.pdf
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