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AutorenbildGuenter G. Rodewald

Vincent Klink - Von tollen Leuten getragen

Aktualisiert: 1. Nov.


Vor einiger Zeit stiess ich im Internet durch Zufall auf ein Porträt des Sternekochs Vincent Klink, das der Südwestrundfunk 2015 mit dem Titel "Das Salz in der Suppe" produziert hatte. Natürlich kannte ich den Koch schon aus seinen Auftritten im Fernsehen und ordnete ihn - wie ich aber schon nach dem Genuss des Films radikal korrigieren musste - als einen der vielen Showköche ein, die sich in den diversen privaten, wie öffentlichen Kanälen tummeln. Dennoch war er mir aber schon immer als Unikum erschienen, seine bacchische Erscheinung, seine skurrile Brille, sein verschmitztes Grinsen ließen mich ihn immer schon mit größerem Wohlwollen wahrnehmen.

"Ohne sie wäre ich heute nicht hier." - Vincent Klink über seine Ehefreau Elisabeth

Aber der erwähnte Film zeigte einen ganz und gar anderen Menschen und Lebenskünstler als ich ihn in meiner Voreingenommenheit abgeheftet hatte. Ich wusste nichts von seiner Passion für die Musik, als Kenner, aber eben auch als Jazz-Interpret auf der Querflöte, der Trompete und dem Bassflügelhorn (hören Sie sich mal seine CD "Stupor Mundi" an, auf der er zusammen mit dem Pianisten Patrick Bebelaar und weiteren Musikern zu hören ist - durchaus ein Genuss). Kannte seine philanthropische Sicht auf die Welt, die Natur und seine Mitwelt bis dahin nicht. Eine schöne jahrzehntelange Liebesgeschichte erzählt der Film auch, die zu seiner Ehefrau Elisabeth.


Was mich besonders beeindruckt hatte, war der Umgang mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, er sitzt irgendwo in der hintersten Ecke seiner Restaurantküche in einem Miniaturkontor, vor sich seinen Laptop, in das er sein Tagebuch schreibt, neben sich - wie sollte es anders sein in einem schwäbischen Restaurant? - eine Maultaschensuppe, und wo er vor sich hin philosophiert, resümiert und von wo aus er zeitweise die Küche dirigiert, wenn er sich nicht zwischen seinen Mitarbeitern und den Töpfen herumdreht.

Im Faksimile: Das Rezept - ein Ragout von Weinbergschnecken

All das fällt mir wieder ein, als ich das gerade bei Klöpfer & Meyer in Tübingen erschienene Tage- und Rezeptbuch von Vincent Klink entdecke, dieser warmherzige Mensch passt gut zu diesem bestechenden Verlag, denke ich mir. Und tatsächlich, das feste Buch in Händen, von dessen Cover der Koch seinem Leser so freundlich entgegenlächelt, sehe, höre und lese ich den Meister wieder, wie ich ihn seinerzeit im Film angetroffen hatte.


Hier sind seine Gedanken und diverse Rezepte, diese in Lettern gesetzt oder in faksimilierter Handschrift, aus den letzten zwölf Jahren von ihm gesammelt worden. Den letzten Eintrag bildet der, den er am 21. Januar 2018 geschrieben hat, es ist ein liebevoller Nachruf auf den "Zeus der Köche", wie Klink ihn adelt, eben auf Paul Bocuse, der am Tag vorher gestorben war.


Ein Buch, das man gerne über längere Zeit in seiner Nähe hat, immer mal wieder aufschlägt und darin schmökert und sich immer wieder an der Menschenliebe dieses Gourmets und Küchenhexenmeister erfreut. Und der sich so angenehm - trotz seiner Körperfülle - wortwörtlich von denjenigen seiner Kollegen abzuheben in der Lage ist, denen ihre Vermarktung als TV-Köche und als Promotoren ihrer Produktlinien so sehr mehr am Herzen liegt, als dass man sie als Menschen wahrnehmen könnte.

Der Musiker Vincent Klink

Das Schmökern und Wiedereintauchen in das Buch wird einem durch das rote Lesebändchen, das eine gute Edition ausmacht, erleichtert. (Immer wieder freue ich mich zu erleben, dass diese Textmerker doch noch nicht ganz vom Aussterben betroffen sind. Aber da ist ein Verlag wie Klöpfer & Meyer ein sicherer Garant.)


Neben den Rezepten ist das gesamte Buch illustriert von den Kohleskizzen, die Klink immer wieder in sein Tagebuch zeichnet. Leider sind sie alle in dem gleichen dunkelgrünen Farbton reproduziert, das nimmt ihnen ein wenig von ihrer Authenzität, die sie vermutlich im Original haben. Aber dennoch verleihen sie dem Buch eine weitere persönliche Note.


Die einzelnen Einträge ins Tagebuch schmücken jeweils Überschriften, die manchmal eher profan klingen, wie "Von Glutamat bekomme ich einen heißen Kopp" oder über skurrile wie "Elefanten in der U-Bahn" oder biografische wie "Der alte Vinz", ein Artikel über seinen Großvater, bis hin zu durchaus politischen Betrachtungen wie "Warum werden Bauern nicht zu Terroristen". Ach, es macht einfach ungeheuer viel Spaß in diesen bisweilen sehr persönlichen, fast intimen, aber ebenso komischen und bis hin zu praktischen Gedanken zu stöbern.

Vincent Klink mit seiner Tochter Eva, Mitbetreiberin der 'Wielandshöhe'

Ein wenig betrüben mich des Autors Kriterien, sich seine Reiseziele auszusuchen, denn er gesteht seine "Maxime, nur noch dorthin zu reisen, wo es Kutteln gibt" und so schliesst er folgerichtig Norddeutschland aus, natürlich mit vollem Recht. So wird man ihn hier in meiner Heimatstadt wohl nie begrüssen können. Obwohl eine gewisse Hoffnung bleibt dennoch, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass er einen gut zubereiteten Bremer Braunkohl mit Pinkel wohl tatsächlich verschmähen würde.


Viel sympathischer kann man den guten Geist von der Stuttgarter 'Wielandhöhe' gar nicht beschreiben, als das Credo, das Vincent Klink am Ende des Filmporträts von sich selber macht: "Das letzte Wort ist, dass ich mir wünsche, dass meine Mitarbeiter immer glücklich sind, da geht's mir gut. Net dass man denkt, ich wär ein Gutmensch oder, hier, ein Ersatzjesus, ein toller Chef will ich gar nicht sein, ich will tolle Leute haben, und die tragen mich, buchstäblich tragen die mich. Und das ist ein wunderbares Leben."

"Unser Publikum ist erste Sahne, da sind die tollsten Leute dabei."

Und was hätte ich für eine Lust, einmal bei Vincent Klink, seiner Frau, seiner Tochter, seinen Leuten in der 'Wielandshöhe' einzukehren und ihnen allen auch einmal persönlich zu begegnen. Es ist aber ein wenig weit weg von hier aus dem hohen Norden. So tröste ich mich mit der weiteren Schmökerlektüre aus "Angerichtet, herzhaft und scharf!" und werde meinen Mann anstiften, so manches der Klink-Rezepte auch mal für uns hier in unserer bescheidenen hauseigenen norddeutschen Küche zu versuchen.

 

Vincent Klink: Verdammt, herzhaft und scharf! - Aus meinem Tage- und Rezeptbuch


Erschienen bei Klöpfer & Meyer, Tübingen, 2018 - 276 Seiten, zweifarbig gedruckt, 27 Originalzeichnungen und über 30 Rezepte, davon 11 in faksimilierter Handschrift, Hardcover mit Lesebändchen



Leider gibt es den Verlag Klöpfer & Meyer nicht mehr. Aber das Buch gibt es als Taschenbuch im Rowohlt Verlag, wo alle seine Bücher jetzt erscheinen.


 

Weblinks:

 

Reaktionen:

  • »Sie sind ein richtiger Könner. Ganz herzlichen Dank für die Buchvorstellung in Ihrem Blog. Ihnen ist ein wunderbares Porträt gelungen.« - Vincent Klink

  • »Sehr herzlichen Dank für diese vorzügliche Vorstellung des Buches samt der so wohltuenden Komplimente für den Verlag! Wirklich schön, wie Sie eines mit dem anderen verbinden und insgesamt ein echtes Lesevergnügen bereiten.« - Verlag Klöpfer & Meyer

 

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