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  • AutorenbildGuenter G. Rodewald

Vom Sterben der Arten

Aktualisiert: 30. März 2023


Vom Sterben der Arten hören wir fast jeden Tag. Mit jeder Nachricht steigen die Zahlen bedrohlich und auch derer, die betroffen sind, wobei in solchen Statistiken vor allem die Rede von Kreationen der Fauna und Flora ist, manchmal auch von guten Gewohnheiten. Selten von Bauwerken. Umso besser also, dass sich der mare-Verlag mit einem gerade erschienenen Almanach für eine exklusive Kategorie stark macht, der der Leuchttürme, es hat den Titel »Kleiner Atlas der Leuchttürme am Ende der Welt«.


Schon in die spanische Originalausgabe ("Breve Atlas de los Faros del Fin del Mundo", Ediciones Menguantes, León 2020) dieses kleinen feinen Buches des 1971 in Ponferrada geborenen spanischen Autors und Grafikdesigners José Luis González Macías hatte ich mich verguckt, das zum „Schönsten Buch Spaniens 2020“ gekürt worden war. Die recht hohe Zahl von Pharologiephilen allein schon nur in meiner Bekanntschaft hochrechnend, gehe ich davon aus, dass die Gemeinde derjenigen, die ein Faible für Leuchttürme haben, ziemlich zahlreich ausfallen muss. Die Gründe sind häufig sicher ihre meist spektakuläre Bauweise, durch die sie auffallen, und auch durch ihre oft imposanten Standorte. Mag auch sein, dass es die Einsamkeiten sind, die sie in der Regel umgeben, vielleicht auch wegen der großen Verantwortung, die man hätte, wäre man noch jemand, der wie in früheren Zeiten für seine pünktliche und zuverlässige Befeuerung zuständig gewesen wäre.


Der Autor bedauert die untrügliche Wahrheit, dass die Seefahrt ganz bald aber schon ohne diese Bauwerke auskommen wird, beziehungsweise ohne deren lebensrettende und Frachten schonende Funktionen. Hier seine eigenen Worte:

So hat sich also auch der in Ponferrada aufgewachsene González Macías aufgemacht, seinem Enthusiasmus nachzugeben. Zwar dicht an der Grenze zu Galicien geboren, dessen Atlantikküsten zu den wildesten Ufern der Iberischen Halbinsel zu betrachten sind, ist seine Geburtsstadt immerhin noch gut über 200 Kilometer Luftlinie von dort entfernt und man kann man da das Meer auf keinen Fall mehr riechen. Aber dennoch hat ihn die Idee nicht locker gelassen, Informationen und die Geschichten um die Leuchttürme zu sammeln, sie aufzuzeichnen und zusammen in einem gelungenen Büchlein von 160 Seiten zu präsentieren.


Insgesamt lernen wir die Geschichten und die speziellen Eigenarten der sich untereinander sehr unterscheidenden Leuchtfeuer kennen; jedem Bauwerk werden jeweils vier Seiten gewidmet: die erste, um über die Geschichte, die Lage und die spezielle Eigenart des Turms zu erzählen, dann folgt immer eine ganzseitige feingerasterte Illustration in meeresblau, darauf eine Seite mit den technischen und historischen Details, Mythen, Katastrophen oder kuriose Anekdoten, die sich um die betreffenden Bauten ranken. Und die vierte Seite macht uns dann bekannt mit einer kartographischen Erläuterung der geografischen Lage des Lighthouses, des Faros oder des Tour lumineuse. Sie sehen, wir bewegen uns quer durch die ganze Welt: vom Leuchtturm von Eldred Rock in Alaska bis hinüber zum am weitesten von dort im Osten liegenden Leuchtfeuer von Stephens Island auf der Südinsel von Neuseeland.


Es ist dabei ein wunderschönes Buch geworden, angenehm zu durchblättern (auf was für haptisch sich so sanft anfühlendem Papier ist es gedruckt?), und bietet dabei eine unterhaltsame, lehrreiche, das Wissen befriedigende Lektüre! Es gehört ab sofort in den Kanon einer mare-Bibliothek! Denn was wären unsere Meere, damit gleichbedeutend, was wäre der Unterbau des gesamten mare-Programms ohne diese Bauwerke. Alles läge zertrümmert an den Stränden, vor den Klippen oder auf den Riffs der Ozeane. So wie an der westafrikanischen Küste etwa 30 Meilen nördlich von der 9-Millionenstadt Luanda, der Hauptstadt Angolas, das Wrack des DDR-Öltankers „Karl Marx“. (Man hat ihn dort aber – das schulden wir der maritimen Wahrheit – einfach hat stranden lassen, dass er verrotte und man sich so die Kosten des Abwrackens ersparte. Nicht ein fehlendes Feuerzeichen war die Ursache seiner Strandung.)

So nötig also die Leuchttürme zur sicheren Rückkehr der Seeleute in ihre Heimathäfen waren, manche immer noch sind, und für die, die sie in den Häfen und auf dem Festland erwarteten, so wichtig ist für ein Buch, das aus einer fremden Sprache seine Wirkung auch in der neuen behalten soll, eine gute Übersetzung. Für diesen Garant hat der mare-Verlag gesorgt, indem er für den Breve Atlas / Kleinen Atlas die Übersetzerin Kirsten Brandt engagiert hat, die längst zu den absoluten Referenzen gehört, was Übersetzungen aus dem Spanischen, Katalanischen oder Portugiesischen ins Deutsche betrifft. Aber darüber hinaus kenne ich sie als mehrjährige und freundschaftlich verbundene Kollegin in Ute Körners und meiner Literaturagentur in Barcelona.


Ich habe ihr damals nur eine Sache übel genommen, nämlich, dass sie uns verließ. Schon sehr lange weiß ich aber, dass sie damit damals genau das Richtige tat, und umso mehr freue ich mich immer wieder, ihren Namen auf den Titelseiten ihrer deutschen Übersetzungen wiederzutreffen. Wie auch wieder in dieser mare-Ausgabe, sogar auf dem Aussencover selbst. In diesem Verlag weiß man halt, was sich „gehört“, nämlich dass der Name einer Übersetzerin, eines Übersetzers genau an diesen Platz gehört!


Wo wir von Übersetzungen reden: schön zu wissen, dass es bereits neben der mare-Ausgabe eine Ausgabe des Buches auf Italienisch (Giulio Einaudi editore, Torino 2022) gibt, eine weitere auf Französisch (Éditions Autrement, Paris 2022) und eine dritte im kommenden Herbst bei PanMacmillan in Großbritannien erscheinen wird. Auch von einer niederländischen Ausgabe (Meulenhoff), einer polnischen (Wielka Litera), einer tschechischen (Nakladatelství 65. pole) und einer norwegischen (Spartakus) weiß ich.


Zwei Wermutstropfen allerdings möchte ich klagend anmerken: dass meine zwei Lieblingsleuchttürme in dem Buch fehlen: einmal der vom Cabo Fisterra (Cabo de Finisterre), dem wirklichen Endpunkt des Jakobsweges, den ich vor einigen Jahren sturmumtost besuchte.


Der zweite ist der Leuchtturm Roter Sand, zu dem ich mal vor vielen Jahren von Cuxhaven aus eine Schifffahrt (mein deutsches Lieblingswort mit drei „f“!) gemacht habe, in meiner Erinnerung bei recht lebhafter See. Leider ist der Leuchtturm erneut in seinem Bestand gefährdet: der steigende Meeresspiegel und der Rostfraß machen ihm zu schaffen.

Der Autor

Aber vielleicht hat José Luis González Macías nach dem großen Erfolg dieses Bandes Lust auf einen Folgeband gewonnen, dann könnten die zwei Exemplare, die ich vermisse, unter Umständen gnädige Aufnahme erfahren.


Als weitere Idee widerfährt mir, sollte es dazu kommen, dass der Rote Sand nur durch seine Wiederaufstellung an einem anderen Ort zu retten wäre, der mare-Verlag ein Projekt protegieren könnte, ihn aus der Deutschen Bucht mitten in den Wentorfer Mühlenteich zu verpflanzen, in Ruf-, Sicht- und Leuchtfeuernähe zur Villa Willemsen, zu der mare ebenfalls eine sehr spezielle Verbindung hat.

 

Weblinks:

 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info.


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