Na, ganz einfach -sie spielen Theater. So gestern abend in Bremen die seit vielen Jahren für ihre Einsätze in München bekannten tatort-Kommissare Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl als Rezitatoren und Akteure in der wohl meistgelesenen, meistvorgelesenen, meistverfilmten und vielleicht auch meist dramatisierten Weihnachtsgeschichte der Weltliteratur um den griesgrämigen Geizkragen Mr. Scrooge und seine Läuterung zu einem liebenswürdigen und sozialen Mitmenschen von Charles Dickens A Christmas Carol. Und wie sie Theater spielen! Mit welcher Lust, mit welchem Können, und mit bis zu offensichtlichem Vergnügen zum gekonnten Chargieren!
Das Publikum in Bremens ausverkauftem Konzertsaal Die Glocke war es sichtlich zufrieden und schenkte den beiden Protagonisten und den Solisten des die beiden umspielenden Streichquartetts (Komposition: Libor Síma) begeisterten stehenden Schlussapplaus. Und verdienten, denn die beiden blühen in ihren jeweiligen Rollen auf, in denen sie wechselnd das Geschehen als Erzähler vorantreiben und dann immer wieder in die Rollen der verschiedenen Figuren schlüpfen, die in der Geschichte auftauchen.
Dabei hat die Dramaturgie der szenischen Umsetzung der Erzählung, die auf der deutschen Übersetzung von A Christmas Carol von Sybil Gräfin Schönfeldt basiert, Udo Wachtveitl die dankbarere Rolle zugedacht, denn er kann sich in den verschiedensten Rollen austoben, angefangen beim von seinem Vorgesetzten Sr. Scrooge drangsalierten und unterbezahlten Angestellten Bob Cratchit, als Geist von Scrooges vor sieben Jahren verstorbenen Geschäftspartners Jacob Marley, als Geist der vergangenen Weihnacht und in vielen weiteren Verkörperungen der Gegenspieler des Misanthropen.
Die Textbearbeitung, Regie und Produktion liegt in Händen von Martin Mühleis dem Kopf der sagas Produktionsfirma, die sich spezialisiert hat auf Bühnenbearbeitungen literarischer Werke, die sie auf Tourneen in der gesamten deutschspachigen Weklt zur Aufführung bringt.
Mühleis setzt das in diesem Fall mit einfachen, aber wirkungsvollen Elementen um. Die beiden Hauptdarsteller stehen und bewegen sich jeweils hinter ihren kleinen schwarzen Stehpulten, beide in grauen Gehröcken aus der Zeit Dickens', von den fünf Musikern des Quintetts, die in einem Halbrund sitzend auf ihrem Rücken weisse Engelsflügel tragen. Ein paar Lichteffekte, während der ganzen Darbietung wabert (Londoner?) Nebel auf der Bühne, einige wenige Toneffekte.
Das alles reicht, um Spannung aufkommen zu lassen und die Geschichte über gute zwei Stunden unterhaltsam bis mitreissend zu erzählen. Da ist nie zu viel und vor allem Wachtveitl schlüpft mit grossem Können in die verschiedenen Gestalten, die er darzustellen hat, während Nemec - obwohl er den ganzen Mr. Scrooge bleibt - es durchaus gelingt, neben der Antipathie, die man einem solchen Sauertopf wie Mr. Scrooge nur entgegenbringen kann, aber auch Mitgefühl mit dem Ekel zugeben muss und man sich am Ende mit ihm freut über seine heftige Läuterung, für die er eine nahezu schlaflose und von Geistern heftig gestörte Nachtruhe durchleiden muss und die eigentlich der Inhalt dieser Geschichte ist.
Der ganze Spass, den die beiden an ihrem Spiel haben, wurde deutlich, als Wachtveitls Kopfmikro ausfiel und die beiden die Störung und Reparatur des Geräts überspielen mussten. Die Zuschauer hatten mächtig Spass an den extemporierenden Schauspielern.
Ein rundum gelungener Theaterabend und eine ehrliche Produktion, auch wenn man mit dem Weihnachtsfest und seiner Melancholie gar nicht so sehr viel zu tun hat.
Fotos: © André Albrecht
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