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AutorenbildGuenter G. Rodewald

Wenn der Onkel mit dem Neffen…

Aktualisiert: 8. Dez. 2023


… oder der Neffe mit dem Onkel kann man in dem Fall des Buches Lost & Dark Places: BREMEN & BREMERHAVEN die allgemein bekannte Redensart, also die mit dem Vater und dem Sohne, Sie wissen schon (Heinz Rühmann...), variieren. Jedenfalls hat der Onkel, nämlich Johann-Günther König, Bremer Autor, mal wieder eines seiner mehr als lesenswerten Lesebücher geschrieben und sein Neffe, Hajo König, Bremer Kommunikationsdesigner und Fotograf, hat eine ansehnliche Menge seiner Fotos, die immer aus überraschenden Blickwinkeln und Perspektiven entstehen, zu diesem gemeinsamen Bilderbuch beigesteuert. Aber beide Elemente, das Erzählen und das Abbilden machen in gemeinsamer Harmonie diesen gerade im Münchner Bruckmann Verlag erschienenen Band komplett.


Hajo König macht Fotos von verlassenen, vergessenen, geheimnisvollen Plätzen, Gebäuden und Ecken Bremens und Johann-Günther König schöpft erneut aus seinem unerschöpflichem Bremer Wissensschatz und ergänzt die Bilderfolgen mit den Geschichten von und um die abgebildeten Objekte. Oder König-Autor wollte mal wieder ein Buch mit Enthüllungen Bremer Geheimnisse schreiben und holte seinen König-Neffen dazu, ihn dabei illustrativ zu begleiten. Und so reiht sich das Buch in eine sehenswerte Kollektion von fast 50 lieferbaren Bänden ein, die der Verlag herausgibt und die sowohl Städte, Regionen und Länder porträtieren, bzw. in ihnen Lost & Dark Places suchen und finden, in der Mehrzahl in deutschen Landen.


Dreiunddreißig (heimliche) Orte


Als Bremer oder Bremerin kennt man manche der 33 Orte, die die Königs aufsuchen, andere sind sicher manchem oder mancher neu, mir zumindest beispielsweise einige. Andere der aufgesuchten Orte kennt man, vielleicht sogar einschließlich der sie umgebenden stories und Hintergründe und Geheimnisse. So wussten Sie von einer romanischen Burgruine am Ufer der Lesum, just gegenüber dem grausigen Wohnklotz der Grohner Süden im Bremer Norden? Oder von einem achtbahnigen 50-Meter-Schwimmbad im Bremerhavener Kleingartengebiet Reuterhamm, in dem keine Wettkämpfe mehr stattfinden, jedenfalls nicht unter Athleten, höchstens unter den heute das Bassin bewohnenden Fischen. Oder von dem zerfallenden Wohnhaus in der Riensberger Elsa-Brandström-Straße von Heinrich Focke, dem Erfinder des ersten praxistauglichen Hubschraubers? Ich nicht, aber in vielen Fällen kannte ich schon die Bauten oder Denkmäler, aber die Geschichten drumrum nicht oder nur zum Teil oder erfreut sich der erneuten Lektüre.


Bei manchen Objekten überkommt einem Wehmut, warum sie dem Verfall geopfert wurden oder ihnen über kurz oder lang passieren wird, wie der Gröpelinger Wasserturm, das Focke-Haus im Riensberg. Und wann wird endlich was Konkretes, Absehbares mit dem Riesengelände der ehemaligen Wollkämmerei in Blumenthal geschehen? Von einem Schwimmbad in olympischen Dimensionen ist dort die Rede, von einem Ausbildungs-Campus mit angegliederten mittelständischen Betrieben, alles für die duale Ausbildung von Fachkräften. Was man mit verfallenden Ruinen anstellen kann, bevor sie ganz versinken, belegt wiederum der Bunker Valentin, ganz oben in Bremens Stadtteil Farge-Rekum, ein vielfach besuchtes Mahnmal, das die ihn betreuenden Initiativen ohne zu ermüden konstant mit weiteren Ideen ausfüllen, und damit wichtige Arbeit und wertvolle Dienste bei der angebrachten Vergangenheitsbewältigung der Stadt leisten.



Wenn das Buch auf glänzendem Papier und auch noch in einem etwas größeren Format gedruckt wäre, hätte das der ausgefallenen Qualität von Königs Fotos sehr gut getan, so verblassen manche im wortwörtlichen Sinne ein wenig auf dem matten Papier, das von der Brillanz, die Königs Bilder auszeichnet, ein wenig verschluckt. Dennoch bleiben auch so Highlights haften wie das Bild vom alten Zollamt am Bremer Überseehafen oder vom Werftkran auf der Bremerhavener Schichau Seebeckwerft oder das doppelseitige Bild von der Blumenthaler Wollkämmerei.


Die zwei Seiten eines Mahnmals


Und ich freue mich persönlich über die Seiten des Mahnmals für die im 1. Weltkrieg gefallenen Bremer Soldaten, das auf der Altmannshöhe in den Bremer Wallanlagen steht, das die Autoren als „verpönt“ katalogisieren, womit sie Recht haben, denn seine Erbauung in den Jahren 1933 bis 1934 ist den nationalistischen Motiven der damaligen nationalsozialistischen Senatsregierung Bremens entsprungen.


Aber was meinen Bezug zu dem Gedenkort betrifft, ist in ihm zum einen der Name meines Großvaters auf einem der roten Ziegeln eingelassen, durch dessen unsinniger Tod im letzten Kriegsjahr 1918 in La Fère - Ort nordöstlich von Paris gelegen und nur 60 km entfernt von Compiègne, in dessen Wald am 11. November 1918 in dem berühmten Eisenbahnwagen der Waffenstillstand Compiègne geschlossen, der diesen mörderischen Krieg beendete - zwei kleine Kinder Halbwaisen und eine junge Frau zur Witwe wurden. Für meinen Vater gehörte es an den Volkstrauertagen im trüben November dazu, seinen Vater da oben auf dem Hügel zu besuchen, sein Grab lag und liegt ja in Frankreich, ich habe ihn oft an seiner Hand da hoch begleitet.

Auf der anderen Seite verbinde ich etwas vollkommen Gegensätzliches, nämlich Komisches mit diesem Ort: als er noch nicht durch das schmiedeeiserne Gitter verschlossen war und jedermann das Rondell betreten konnte, drehten wir an einem sehr frühen Morgen mit ein paar Verrückten aus dem benachbarten Theater am Goetheplatz in den Mauern Ende der 1960-er Jahre (noch vor Peter Zadeks „Ich bin ein Elefant, Madame“!) eine Szene aus dem Oscar-verdächtigen 5 Minuten und dreizehn Sekunden langen Stummfilm „Cäsar am Rubikon“ (>>>LINK)


Mit Lost & Places Bremen & Bremerhaven ist den beiden Königen ein schönes Geschenkbuch für Menschen in und aus Bremen gelungen, oder für solche, die zu Besuch kommen und ein bisschen abseits der touristischen Streifzüge vom Typ Dom-Rathaus-Roland-Stadtmusikanten die Stadt kennenlernen möchten (Achtung: heute in 92 Tagen ist Heiligabend!).



Liste der lieferbaren Titel der Kollektion LOST & DARK PLACES

09/2023

 

NACHTRAG | 30. November 2023:


Am heutigen Abend fand die offizielle Vorstellung der König/König-Buches im zentralen Saal des Bremer Gerhard-Marcks-Hauses statt. Eingeleitet wurde der gut besuchte Abend von Prof. Dr. Gert Sautermeister, von 1974 bis zu seiner Pensionierung Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bremen, heute u.a. Vorsitzender der Goethe Gesellschaft zu Bremen und des Bremer Literaturkontors; er war ebenfalls der Doktorvater von Johann-Günther König.


Beide Autoren erzählten angeregt von der Entstehung des Buches und seiner Verwirklichung, König Sr. aus der Sicht seines literarischen und König Jr. seines fotografischen Parts. Beide dermassen animierend, dass der ursprünglich reichlich bestückte Büchertisch der ebenfalls einladenden Buchhandlung Schweitzer am Ende an die Besucher des Abends fast leerverkauft war!


Und hier der Link zur

Einleitungsrede von Prof. Dr. Gert Sautermeister: https://bit.ly/475nGJ3

 

Weblinks:

 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info.

 

Reaktionen:

  • »Sagenhaft, was Du da wieder aus der Feder gelassen hast - Du bist wirklich ein wunderbarer Literatur-Werbefach-Mann und - noch wichtiger - nie langweilig. Und Deine Familiengeschichte, die in der Altmannshöhe steckt, haut mich gerade um.« - Dr. J.-G. K, Bremen

  • »Toll. Dein Text ist mega.« - H.K., Bremen

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