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  • AutorenbildGuenter G. Rodewald

Día de Sant Jordi - traurig...

Aktualisiert: vor 1 Tag


Die vielen Jahre, die ich in Barcelona gelebt habe, gehörte der heutige Tag, der 23. April, immer zu den zentralen Tagen im Jahr. Man begeht den Día de Sant Jordi, es ist der Tag des katalanischen Nationalheiligen und wird als der höchste Feiertag des Landes empfunden, auch wenn er kein freier Tag im Arbeitsleben bedeutet. An diesem Tag – gleichzeitig die Todestage von Miguel de Cervantes, von William Shakespeare und vom spanisch-katalanischen Autor Josep Pla – füllen sich die Straßen Barcelonas und aller kleinen Orte des Landes mit Bücherständen und Verkaufsständen für Rosen. Allein an diesem einzigen Tag werden in Katalonien in jedem Jahr zwischen 1,5 und 2 Millionen Bücher verkauft, an dem Tag werden um die 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes abgewickelt. Eigentlich herrscht an dem Tag immer ein wunderbares Frühlingswetter, so wie heute hier bei uns in Deutschland, aber dieses Jahr könnte das Wetter gar nicht passender zu den traurigen und bedrohlichen Verhältnissen passen, den dieser Tag aus den pandemischen Gründen erlebt: wie mir eben eine Freundin aus Sitges schreibt, ist es kühl, grau und wolkenverhangen, wenigstens regnet es nicht mehr wie in den vergangenen Tagen, vielleicht kann man das schon als Zeichen sehen, den der Heilige Sant Jordi den Katalanen und den Spaniern beschert.


Wie sich der Día de Sant Jordi in normalen Jahren in Barcelona und Katalonien zeigt, darüber habe ich vor ein paar Jahren etwas in dem Schweizer Buchmagazin Bücherpick geschrieben:


EINE REISE IN DIE STADT DER BÜCHER UND ROSEN


Im Jahre 1995 hob die UNESCO auf Antrag der spanischen und Anregung der katalanischen Regierung den Welttag des Buches aus der Taufe. Warum wollen Sie den Tag nicht einmal da erleben, wo seine Ursprünge liegen? Nämlich in der Hauptstadt Kataloniens, in Barcelona.


Der 23. April ist der Namenstag des Nationalheiligen Kataloniens, des Hl. Sankt Georg. Der Dia de Sant Jordi ist der höchste Festtag des Landes. Und seit 70 Jahren begeht man ihn im ganzen Land und in Barcelona auf ganz besondere Weise:


Auf allen Straßen stellen die Buchhandlungen, die Verlage, Schulen und gemeinnützige Organisationen Bücherbuden und -tische auf, und verkaufen von früh morgens bis spät in die Nacht Bücher - mit einem Rabatt zwischen 5 % bis 10 % .

Daneben und dazwischen verkaufen ambulante Blumenhändler Rosen - rote sollten es sein, die mit einer Kornähre und einer Schleife in den rot-gelben katalanischen Landesfarben zu einem kleinen Strauß gebunden werden.


Und der Tradition entsprechend schenkt der Mann seiner Frau, der Junge seiner Freundin, seiner Mutter, seiner Schwester einen solchen Rosenbund. Und die Frau, das Mädchen ihrem Geliebten, ihren Männern, Vätern, Brüdern eben ein Buch. Aber längst erlaubt der gesellschaftliche Wandel, der sich in Spanien vollzogen hat, sämtliche anderen zwischen den Geschlechtern denkbaren Verschenkvarianten.

Dazu organisieren die Verlage an den Bücherständen Signierstunden für ihre prominenten Autoren, für die es immer eine große Auszeichnung ist, eingeladen zu sein, können sie so doch mit ihren Lesern auf Tuchfühlung gehen. Die Verkaufserfolge am Dia de Sant Jordi setzen Maßstäbe, denn um die 10% des katalanischen Buchjahresumsatzes werden an diesem einzigen Tag bewältigt!


Auf den Straßen ist später kein Durchkom­men mehr, dennoch herrscht eine fröh­liche und ausgelassene Stimmung. Und in der Regel nimmt der Schutzheilige seinen Auftrag durchaus ernst und beschenkt die Katalanen mit gutem Wetter Die Sonne im April hat schon viel Kraft und der Himmel in dieser Jahreszeit strahlt azurblau.

Wenn Sie unseren Reisetipp in die Tat umsetzen sollten, hier noch ein guter Rat am Ende: Gehen Sie am Morgen des 23. April ganz früh - noch vor dem Hellwer­den - auf die Straße oder gar nicht erst ins Bett. Wenn in den letzten Stunden der Nacht und in den ersten des neuen Tages überall in der Stadt die Büchertische und Blumenstände aufgebaut werden, herrscht eine wunderbar emsige und aufgeregte Atmosphäre. Die ersten Büchernarren streichen dann schon um die Bücherstapel. Es ist noch etwas kühl, der Duft frischen Kaffees und frisch gebackener Croissants strömt schon aus den Cafés und lockt zu einem mediterranen Frühstück.


Sie werden den Tag nicht vergessen, auch wenn Sie abends matt in Ihr Hotelbett fallen. Das Schlendern, das Straßenpflaster und das Geschiebe zwischen den Massen fordern schweren Tribut.


Aber vielleicht steht auf Ihrem Nachttisch ja eine rote Rose und Ihre Reisebegleitung hat Ihnen ein schönes Buch geschenkt, viel­leicht sogar eines von denen, die wir Ihnen auf diesen Seiten empfohlen haben. Und Sie umgekehrt vielleicht auch? Das ließe dann einen erlebnisreichen Tag in der Stadt der Bücher und Rosen glücklich ausklingen.

 
Sant Jordi im Kampf mit dem Drachen · Skulptur an der Casa Amatller in Barcelona

Mehr Texte über die Bücher- und Verlagsstadt hat Michi Strausfeld zuammengestellt, in einem schöne Reader, erschienen bei Wagenfeld:


 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info.

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