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AutorenbildGuenter G. Rodewald

Ἀντιγόνη ἐν τῷ Βρέμης βορρά

Lilith Stangenberg in der Hamburger ,Antigone'

26.11.2024 - Da habe ich mich nun sieben Jahre dem Erlernen der altgriechischen Sprache in einem altsprachlichen Gymnasium hingegeben, gelang mir sogar damals eine einigermaßen solide Beherrschung, wenn sie mir im Alltagsleben doch eher wenig nutzbringenden Gewinn brachte. Aber immerhin kann ich heute ein bisschen damit angeben, dass ich die Überschrift meines heutigen Blogbeitrags passenderweise in dieser alten Sprache formulieren kann, dass, wenn sie denn da auf Deutsch stünde, man lesen würde: Antigone in Bremen-Nord. Denn darum geht es heute hier.


Das Foto oben stellt eine Szene einer viel umjubelten Inszenierung von Katrin Beil im Hamburger Schauspielhaus dar, nämlich des Schauspiels »Antigone« des griechischen Dichters und Dramatikers Sophokles (*497 v.Chr. in Kolonos · † 406 v. Chr. in Athen). Überhaupt kann man beobachten, dass in der letzten Zeit auffällig viele Produktionen dieses nur etwa 1½-stündigen, um die 2.500 Jahre alten Stückes auf deutschsprachigen Bühnen entstanden. Hier im Norden in diesem Jahr neben der in Hamburg eine am Theater Bremen, eine weitere in Oldenburg, eine in Braunschweig, in Kiel, in Schwerin, auch in Bielefeld, Mainz, Köln, Bochum, Saarbrücken, Halle, Chemnitz oder ebenso in Wien, Zürich, Bern, Basel.


Voller aktueller Bezüge

Ganz einfach betrachtet kann es nur der Inhalt dieses Stückes sein, dass man sich an so vielen Theatern daran erinnert, denn es geht zentral in ihm um solch klassische Konflikte wie dem sich Beugen, sich dem Widersetzen von Mächtigen, dem Ungehorsam, dem Individuum vs. die Gesellschaft, Machtmissbrauch, staatliche Autorität vs. individuelles Handeln, aber auch der (bis zur grenzenlosen) Liebe zwischen Menschen, Geschwistern, Eltern zu ihren Kindern.


Das mag auch Martin Mader bewogen haben, dieses bewegende Stück in seinen ganz speziellen, erfolgreichen Klassiker-Spielplan in seiner Vegesacker, Bremen-Norder Buchhandlung aufzunehmen, zumal er auch schon in früheren Spielzeiten seines Projekts »Literatur erzählt« auf Sophokles zurückgegriffen und in mehreren Vorstellungen mit viel Erfolg den »König Ödipus« gegeben hatte.


Großzügige, gekonnte Striche


Mader beherrscht eine große Kunst: er erzählt die Klassiker in seinen Worten, keine körperlose Inhaltsangaben macht er. Er versetzt sich immer in die Rolle eines Erzählers, bettet in seine Texte aber auch immer Originalpassagen aus den Werken ein, im Fall jetzt der ,Antigone', nimmt er sie aus der Übersetzung des Werkes von Friedrich Hölderlin (Frankfurt am Main, 1804). Dabei erlaubt er sich aber durchaus großzügig, aber immer verantwortungsvoll zugunsten einer strengeren Dynamik des Abends Kürzungen. Wie jetzt in der Antigone kurzerhand auf die gewichtigen Textpassagen des blinden Sehers Tiresias, was Mader nicht verschweigt, er legt dessen Worte der Einfachheit halber einer Wache in den Mund.


Das scheint mir mehr als erlaubt. So fällt die Madersche Antigone nur halb so lag aus wie eine traditionelle Bühnenversion, wird damit gleichsam in eines der aktuellen Podcast-Formate transponiert. Auch das ist gestattet. Der Abend gab Mader recht, es war mucksmäuschenstill während der gesamten Performance. Nur Maders geschulte Stimme war zu hören, keine Geräuschuntermalungen, keine Lichteffekte. Das Publikum war im wahrsten Sinne ergriffen, keine der sprichwörtlichen Stecknadeln hörte man zu Boden fallen, nur ein kleiner Husten zu Anfang, worauf Mader aber sofort großzügig einen Hustenbonbon anbot.


Das Publikum blieb still bis zum erschütterten Schluss des Dramas, das so gut wie niemanden der Protagonisten des Dramas am Leben lässt, sodass zunächst niemand zum Applaus anheben mochte. Er hob natürlich nach einer längeren Stille und nach einem ergriffenen allgemeinen Durchatmen - gerne gegeben wurde, er war mehr als verdient.


Das Stück wurde am Sonntag darauf noch einmal gegeben, wieder bis auf den letzten Platz ausgebucht. Mader plant aber den gesamten achtteiligen Zyklus seiner »Literatur erzählt« im kommenden Jahr zu wiederholen, auch dann wird sein intimes Zimmertheater (besser: Ladentheaters) ohne Zweifel wieder jedes Mal ausverkauft sein. Am Abend des Antigone-Abends wurde der 1.000 Gast begrüßt und mit einer Flasche Schampus und einer Freikarte gewürdigt.


Hintergedanken


Und die Gewinnerin wird - wenn sie es eh nicht schon ist - sicher zu einer Stammkundin der Buchhandlung Otto & Sohn werden, respektive bleiben, wie viele der anderen, nunmehr mehr als tausend Personen, die den Aufführungen bislang schon beigewohnt haben. Das ist natürlich auch eine von Maders Ideen hinter dem ganzen Projekt, aber beileibe nicht das einzige. Denn längst ist Martin Mader einer der wichtigen kulturellen Säulen Vegesacks, des Bremer Nordens und - wenn deren Bewohner denn den weiten Weg finden - Bremens geworden. Und mit solchen Buchhändlern wie Martin Mader und seinem Team sterben die unabhängigen Buchhandlungen auch nicht aus, was weitere gut dreißig Bremer Buchläden ebenso tagtäglich immer weiter beweisen.

 

Weblinks:

  • Buchhandlung Otto & Sohn: Link

  • Das gesamte Repertoire: Link

  • Mark Twain zu Gast bei Otto & Sohn: Link

  • Bremer Buchhandlungen: Link

 

Wenn Du willst, kannst Du mir gerne Deinen Kommentar schicken, und zwar an diese Mail-Adresse: blog.guenny@mercadodelibros.info

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